forum Care Society, Care Economy

Einführung in das Thema

Care Society, Care Economy

Kurzzusammenfassung

Unser Ziel als Mensch ist es, lange und in bester Gesundheit zu leben. Dafür benötigt es ein soziales Versorgungssystem, das sich um all unsere Bedürfnisse kümmert. Darunter fällt zum einen das Gesundheitssystem mit Krankenhäusern, Pflegestätten und Betreuungseinrichtungen oder sonstigen medizinischen Versorgungseinrichtungen, sowie die Notfallversorgung mit zuverlässigen Rettungsmitteln und intensiven Eingriffen. Aber auch unbezahlte Arbeit im Haushalt, Kochen, das Pflegen von Angehörigen oder die Erziehung von Kindern gehören zu einer sich kümmernden Gesellschaft. Dies wird allerdings hauptsächlich von Frauen erledigt. Dadurch fehlt ihnen oft die Möglichkeit, eine fair bezahlte Beschäftigung wahrzunehmen. Diese unbezahlte Arbeit ist eines der größten Standbeine einer funktionierenden Gesellschaft und findet kaum Anerkennung und wird selten vom Staat unterstützt. Darüber hinaus sind die Arbeitsbedingungen im Gesundheitssystem oft schlecht: zu wenig Personal, schlechte Gehälter und zu lange Arbeitszeiten und Überstunden. Auch hier ist die Geschlechtergerechtigkeit noch nicht angekommen: Die Berufe mit den meisten Patienten-Kontakten, nämlich Pflegeberufe, werden hauptsächlich von Frauen gemacht und gut bezahlte Positionen, wie Ärzte, von Männern. Im Gesundheitssektor gibt es den größten globalen Lohnunterschied zwischen Frau und Mann. Geschlechter außerhalb von Weiblich und Männlich finden fast keine Repräsentation in Studien und Daten des Gesundheitssektors. Alles ist darauf aufgebaut, Männer und Frauen zu versorgen.

Die Wirtschaftskommission für Afrika (Economic Commission for Africa, ECA) stellte 2019 fest, dass Afrika die geringste Anzahl an medizinischem Personal pro Kopf weltweit hat.1 Und die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation, WHO) fand ebenfalls 2019 heraus, dass nur 29% der Ärzt*innen in Afrika Frauen sind.2  Das sind die harten Fakten, und im Rest der Welt ist die Situation nicht besser.


Punkte zur Diskussion
 

  • Was macht ein sozial gerechtes Gesundheitssystem aus?
  • Wie sollten die Mitgliedstaaten teure und spezielle Behandlungen in einem breit aufgestellten Versorgungssystem fördern?
  • Wie verbessert man die Situation für Menschen, die viel unbezahlte Arbeit leisten?
  • Wie können die Mitgliedstaaten die Geschlechtergerechtigkeit im Gesundheitssektor und in der unbezahlten Arbeit fördern?
  • Wie können Menschen aus der LGBTQI+ Community besser versorgt und der Gesundheitsforschung besser repräsentiert werden?
  • Wie können die Mitgliedstaaten die Ungleichheit gegenüber den Geschlechtern in der Gesundheitsforschung und Entwicklung verringern?
  • Wie soll ein sozial gerechtes Versorgungssystem finanziert werden?

 

Einleitung

Wenn wir alt sind, gehen wir in die Rente. Wir bekommen monatlich Geld dafür, dass wir jahrelang gearbeitet haben. So selbstverständlich das auch klingt, es ist es leider nicht.

In einem sozialen Versorgungssystem (Care Economy)geht es genau darum:

Eine Gesellschaft, die sich um die Menschen sorgt, die Hilfe brauchen.

Warum? - Weil die Bevölkerung die Grundlage von allem ist. Eine Gesellschaft funktioniert nur durch die Menschen, die in ihr leben.

Die wirtschaftliche Stabilität hängt eng mit der Gesundheitsversorgung zusammen. Wenn sich niemand dafür sorgt, dass Menschen gesund werden und bleiben oder gesund aufwachsen, ist es für eine Gesellschaft schwer möglich, sich weiterzuentwickeln.

So zeichnet sich eine kümmernde Gesellschaft dadurch aus, dass nicht nur alte, nicht mehr arbeitsfähige Menschen unterstützt werden, sondern auch Mütter mit ihren Neugeborenen, genauso wie der Unterstützung benötigende Nachbar oder die überarbeitete Handwerkerin.

Kurz gesagt, jedem Menschen sollte die Hilfe bereitgestellt werden, die er braucht.

Dies reicht von Grundlagen, wie das Bereitstellen von Trinkwasser, bis zur komplexen Notfallversorgung. Der größte Teil dieser Arbeiten fällt unter den Begriff der Care-Arbeit. Diese wird oft von Pflegepersonal oder anderem medizinischen Personal geleistet. Sämtliche Hausarbeit wie Kochen und Putzen, die Erziehung von Kindern, die Betreuung von Angehörigen mit Behinderungen und das Pflegen von Kranken gehören jedoch zur unbezahlten Care-Arbeit.

Aber wie genau kann eine solche Versorgung gerecht und nachhaltig gestaltet werden und was passiert in Gesellschaften, in denen sich nicht oder nicht genug gekümmert wird?

Hintergrund und Grundsätzliches

Zunächst stellt sich die Frage, was “kümmern” konkret bedeutet.

Damit ein Mensch gesund durchs Leben kommt, braucht er zunächst einen guten Start. Die Versorgung von Neugeborenen, das Gebären in einem geeigneten Raum und die Versorgung der Mutter sind zu beachtende Punkte.

Durch das ganze Leben hinweg sind gesundheitliche Aufklärung und regelmäßige Untersuchungen notwendig. Auch Vorsorge, wie Impfungen und regelmäßige Kontrollen, gehören dazu. Später ist im Arbeitsleben ein Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit nicht zu vernachlässigen: Urlaub und Erholung sind wichtig, um gesund zu bleiben. Seelische Gesundheit beeinflusst die Körperliche. Und irgendwann ist man alt und nicht mehr fähig zu arbeiten. Dann benötigt man meist finanzielle Fürsorge, wie Rente, aber auch Alltagshilfen und Medikamente.

Als nächstes sollte man sich anschauen, wie seltene, aber aufwändige Fälle in einem breit aufgestelltem Gesundheitswesen gefördert werden müssen. Eine Behinderung beispielsweise führt teilweise zu einer Notwendigkeit von besonderer Hilfe, teils ein Leben lang. Auch bei der Behandlung nicht-chronischer, zeitweiser Erkrankungen benötigt es einen großen Aufwand.

Leider gehen bei dem Versuch, breite und effektive Hilfe umzusetzen, einzelne Bereiche unter. In unter anderem Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es beispielsweise keine ausreichende Hilfe für Mütter mit Tot- oder Fehlgeburten, obwohl dies schwer traumatisierend sein kann.3 Die Mütter müssen ihre bereits toten Kinder zur Welt bringen und rechtliche Schutzmechanismen wie Mutterschutz-Zeiträume greifen nicht.

Damit Care-Arbeit erfolgen kann, braucht es qualifiziertes Personal. Dabei ist insbesondere die Geschlechter- und die soziale Gerechtigkeit sowie der Aspekt der Migration zu berücksichtigen. 

Frauen machen derzeit 70% der globalen Arbeitskraft im Gesundheitswesen aus und führen 90% aller Tätigkeiten mit Patientenkontakt aus.4

In den meisten Fällen werden die Kräfte nicht oder sehr schlecht bezahlt.

Dies hat verschiedene Gründe. Pflege und Betreuung sind personalintensiv. Wer da Kosten sparen möchte, fängt beim Lohn an, weil er der größte Faktor ist. Dies kann durch zwei Möglichkeiten umgesetzt werden: zum einen kann weniger bezahlt werden und zum anderen kann man die Pflegekräfte mehr arbeiten lassen.

Außerdem wurde ein weiteres Phänomen beobachtet: Immer, wenn Arbeitsplätze durch mehr Lohn und Qualifikation attraktiver gemacht wurden, haben Männer diese Aufgaben wahrgenommen und Frauen blieben weiter in den unterbezahlten Plätzen.

Wir schauen im globalen Gesundheitswesen auf den größten Lohnunterschied zwischen Männer und Frauen, nämlich - 26%.5

Dieses Bild zeichnet sich fast unabhängig von der Wirtschaftslage ab.

Frauen im globalen Gesundheitssektor kommen meistens aus den ärmsten Schichten und haben selbst kaum Mittel zum Leben.

Die „günstige Pflegekraft“ aus dem ärmeren Nachbarland ist jedem ein Begriff. Eine Fürsorgepolitik ist auch Migrationspolitik. Einwanderne und flüchtende Menschen benötigen umfassende Hilfe und Strukturen. Und wenn kaputte Pflegesysteme durch Migration gerettet werden sollen, darf dies nicht auf Kosten der Migranten passieren.

Der größte Teil der Care-Arbeit wird jedoch in den Privathaushalten geleistet. Forschungen in diesem Gebiet zeigen, dass diese Arbeit den größten Teil der Wirtschaftsleistung eines Landes ausmacht, aber nicht wertgeschätzt oder von den Staaten ausreichend erfasst wird.6 Sämtliche Hausarbeit wie Kochen und Putzen, die Erziehung von Kindern, die Betreuung von Menschen mit Behinderungen und das Pflegen von Kranken gehören zur unbezahlten Care-Arbeit. Auch diese Arbeit wird hauptsächlich von Frauen erledigt. Dies liegt unter anderen an der sozialen Stellung von Frauen in der Gesellschaft, da es immer noch zu oft als Aufgabe der Frau angesehen wird, den Haushalt und die Erziehung zu übernehmen.

In Ländern im Globalen Süden sind sogenannte Gemeinde-Gesundheits Beauftragte (Community Health Worker, CHWs) zuständig für die Gesundheitsversorgung und Aufklärung in abgelegenen Gemeinden und Dörfern. Diese sind dann erste Ansprechpartner und können Menschen, die Hilfe benötigen, an die richtigen Stellen verweisen oder angemessene Hilfe und Medikamente organisieren. CHWs sind somit das Bindeglied zwischen den Dörfern und dem Gesundheitswesen. Die meisten CHWs sind Frauen und werden nicht ausreichend entlohnt, obwohl zahlreiche Menschen abhängig von ihnen sind. Sie müssen oft weite Strecken zu schlecht angebundenen Siedlungen reisen, was einen erheblichen Zeitaufwand darstellt.

Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen (Non-Governmental Organisation, NGO) haben sich auf Care-Arbeit spezialisiert. „Women in Global Health“ fordert unter anderem, dass mehr Frauen in Führungspositionen im Gesundheitswesen vertreten sein sollten.

Die Gesundheit der Menschen steht global noch nicht an erster Stelle. Bisher stehen wirtschaftliche Interessen noch vor humanitären Aspekten. Gesellschaftlich wird die unbezahlte Arbeit in den Privathaushalten weder ausreichend anerkannt noch gefördert.

Es steht noch viel Arbeit an, um die Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (United Nations, UN) bis 2030 umzusetzen.

Aktuelles

Große Schritte sind notwendig, um die Lage global zu verbessern. Doch was tut die Weltgemeinschaft?

2015 hat die Generalversammlung der UN, mit der Resolution A/RES/70/1, die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) verabschiedet. Eine nachhaltige Politik um das Wohlergehen der Menschen und um den Einsatz für Frauen im Gesundheitswesen deckt sieben der siebzehn ab. Beispielsweise das der Geschlechtergerechtigkeit (SDG 5) und das Ziel der hochwertigen Bildung (SDG 4), sowie dem Ziel für Gesundheit und Wohlergehen (SDG 3).7

In den Regionalkommissionen des WiSo wird sich derzeit zu wenig mit dem Thema auseinandergesetzt, obwohl es eine wichtige Bedeutung für die nachhaltigen Entwicklungsziele spielt. Die 15. Konferenz über Frauen in Latein Amerika und der Karibik, im November 2022 in Buenos Aires, hat sich intensiv mit der unbezahlten  Arbeit von Frauen in der alltäglichen Pflege der pflegebedürftigen Menschen befasst. Experten der Wirtschaftskommission für Latein Amerika und die Karibik (Economic Commission for Latin America and the Caribbean, ECLAC) haben dort ausführlich über die aktuellen Missstände in ihrer Region berichtet und gezeigt, dass 74% der unbezahlten Arbeit von Frauen bewerkstelligt wird.8  Es wurden einige Vorschläge eingebracht um die Ungleichheit langfristig einzudämmen.

Zum einen wurde festgehalten, dass stereotype Rollenbilder aufgebrochen werden müssen. Das kann unter anderem dadurch erreicht werden, dass Frauen mehr in wichtigen Entscheidungspositionen vertreten sind. Dies gilt für politische wie für wirtschaftliche Stellen.

Damit durch die unbezahlte Care-Arbeit keine Falle für Armut entsteht, weil die Frauen keine Zeit oder Möglichkeit haben, einer bezahlten Arbeit nachzugehen, müssen Arbeitsmodelle überarbeitet und soziale Unterstützung geschaffen werden.

Dies kann verschiedene Formen annehmen. Durch Teilzeit und Gleitzeit Arbeitsstellen können Möglichkeiten geschaffen werden, trotz einem großen Aufwand an Care-Arbeit, einer bezahlten Arbeit nachzugehen. Damit besteht die Möglichkeit, aus der Armut und der wirtschaftlichen Abhängigkeit gegenüber dem Mann auszubrechen. Zeitgleich müssen Mechanismen geschaffen werden, die dafür sorgen, dass die Stellen nicht ausschließlich durch Männer besetzt werden. Dabei dürfen vorangehende Beschlüsse und Fortschritte nicht ungeachtet bleiben, da sie die Grundlage für unsere aktuellen Erkenntnisse sind. Die Beijing Erklärung von 1995 auf der vierten globalen Konferenz über Frauen ist ein Standbein für Frauenrechte, die Erklärung über die Beendigung aller Dskriminierung gegen Frauen 1979 und die Erklärung der Rechte von Kindern 1989, sind weitere wichtige Erklärungen der Mitgliedstaaten.

Da Menschen mit Behinderungen oft besondere Fürsorge benötigen, aber deswegen nicht diskriminiert oder exkludiert werden dürfen, ist auch die Erklärung der Behindertenrechte von 2006 von besonderer Bedeutung. Die Mitgliedstaaten müssen Wege finden, ihre Bevölkerungen angemessen zu versorgen.

Probleme und Lösungsansätze

Nun stellt sich die Frage, was die Vereinten Nationen und die Mitgliedstaaten tun können, um ein angemessenes soziales Versorgungssystem sicherzustellen.

Grundsätzlich ist es notwendig, eine faire Bezahlung zu erreichen. Das ist aber leider nicht so einfach umsetzbar. Wenn man beispielsweise den CHW aus ländlichen Regionen anfängt, fairen Lohn zu bezahlen, ist es auch notwendig, Mindeststandards für die Qualifikationen zu setzen. Jedoch ist es dann einigen Frauen nicht möglich diese Standards zu erfüllen, da sie die verlangten Qualifikationen nie erlangen konnten. Außerdem haben Studien gezeigt, dass, wenn derartige Arbeitsplätze gut bezahlt werden, vermehrt Männer diese Aufgaben übernehmen. Das ist ein Problem, da dann Frauen wieder in schlecht bezahlten Stellen enden. Liberia arbeitet derzeit mit der NGO „Last Mile Health“ zusammen, um faire und qualifizierte Gesundheitsversorgung in den ländlichen Gebieten bereitzustellen. Dabei wird auch besonders auf die Repräsentation von Frauen geachtet, um stabile Kommunen zu bewirken. Oft helfen aber auch kleine, unscheinbare Maßnahmen. Beispielsweise hilft es, um den Zugang zu verstreuten Kommunen zu verbessern, Zufahrtswege und Straßen auszubauen.

Zudem muss auch unbezahlte Pflegearbeit besser wertgeschätzt werden. Der größte Teil der Arbeit rund um Pflege und Gesundheit wird von Frauen in den eigenen Familien bewerkstelligt. Hier geht es um das Großziehen von Kindern, das Pflegen von erkrankten Angehörigen, die intensive Betreuung eines Menschen mit Behinderung oder das tägliche Waschen von Kleidung der Familien. Diese und viele andere Aufgaben sind wichtig für Gesellschaft und Familie. Um der Ungleichheit entgegenzuwirken, sind bezahlte Mutterschaftsurlaube ein gutes Mittel um Sicherheiten für Frauen zu schaffen, aber auch Vaterschafts-Urlaube sind nicht zu unterschätzen. Diese setzen Anreize und schaffen Möglichkeiten, auch Männer besser in die tägliche Arbeit einzubinden. Zudem sind Gleitzeit und Teilzeit-Arbeitsplätze eine gute Möglichkeit, Frauen den Einstieg ins Berufsleben zu ermöglichen,da sie ein Berufsleben besser in den Alltag eingliedern können. Aber auch Männer können durch flexiblere Arbeitszeiten mehr Zeit für die Hausarbeit einräumen.

Da nicht alle Leiden mit häuslicher Pflege und Haushaltsmittel behandelt werden können, benötigt man ein stabiles Gesundheitssystem und eine Notfallversorgung. Hierbei spielt die Finanzierung eine große Rolle. Die Menschen, die Hilfe brauchen, müssen sich diese auch leisten können. Ein stabiles Gesundheitssystem erfüllt seinen Zweck nicht, wenn es niemand in Anspruch nehmen kann. Eine durch kommerzielle Versicherungen gestützte Finanzierung in einem unregulierten Markt kann in einem ungerechten Klassensystem zwischen Arm und Reich enden. So ist es derzeit in den USA. In Kanada gibt es, durch Steuern finanzierte, Staatliche Kassen, die die grundlegende Versorgung und die Notfallversorgung übernehmen. Für einige Behandlungen übernehmen jedoch nur  private Zusatzversicherungen die Kosten. Dieses Stufensystem sorgt dafür, dass eine Grundversorgung unabhängig von der finanziellen Lage sichergestellt ist. Trotzdem ergibt sich daraus eine ungerechte Lücke zwischen Arm und Reich. Um diese Lücke zu schließen, braucht es ein rein staatlich finanziertes System. Dies ist das sozial gerechteste System und schränkt den Wettbewerb in der Gesundheitsbranche massiv ein, aber das für den Staat aufwendigste Modell. Wer in Kuba eine Behandlung benötigt, bekommt diese - kostenlos und ohne Bedingungen.

Pflege muss inklusiv sein. Niemand sollte, aus welchem Grund auch immer, ein schlechtere Versorgung bekommen als jemand anderes. Dies betrifft viele Bereiche: beispielsweise benötigen Menschen mit Behinderungen besondere Hilfe in verschiedensten Bereichen. Infrastruktur wie Krankenhäuser müssen leicht zugänglich sein. Außerdem kann es sein, dass Hilfestellungen im Alltag notwendig sind. Ganz besonders sollte darauf geachtet werden, dass Betroffene nicht von der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Das betrifft das gesellschaftliche Leben in der Freizeit gleichermaßen wie das Arbeitsleben. Menschen mit Behinderungen müssen Möglichkeiten eingeräumt werden, sodass sie einen inklusiven Arbeitsalltag haben und nicht in ungeeigneten, exkludierenden Arbeitsstätten für eine unfaire Bezahlung arbeiten müssen.

Damit alle Menschen die bestmögliche Pflege erhalten können und die bestmögliche Pflegearbeit leisten können, müssen sie repräsentiert und erfasst werden. Leider gibt es immer noch Gruppen, die in Statistiken und Studien stark vernachlässigt werden. Menschen, die nicht unter das männliche oder weibliche Geschlecht fallen, werden in den seltensten Fällen erfasst. Oft fehlt es dem medizinischen Personal an nötigem Wissen und Schulungen.

Hinweise zur Recherche

Um die möglichen Standpunkte eines Mitgliedstaats herauszufinden, gibt es einige Faktoren und Punkte, die man sich ansehen sollte.

Zunächst sollte herausgefunden werden, wie das Gesundheitssystem des Staates funktioniert. Und wie effektiv es ist. Dafür lohnt sich ein Blick in das Faktenbuch der CIA. Die Sterberate bei Neugeborenen und Kindern ist ein gutes Indiz für die Gesundheitsversorgung. Wenn man sich die Alterspyramide anschaut, kann man Schlüsse ziehen, ob es einen hohen Bedarf an Alterspflege gibt.

Nicht zu vernachlässigen ist die Lebenserwartung und die Anzahl an Ärzten im Verhältnis zur Bevölkerung.

Dann lohnt es sich anzuschauen, wie das Gesundheitssystem finanziert wird. Wer zahlt? Staat, Versicherungen oder der Patient? Und wie viel zahlen die jeweiligen Parteien?

Um die gesammelten Zahlen auch einordnen zu können, muss man sich einen Überblick über die geografischen Begebenheiten machen. Wohnen die Menschen in Ballungsräumen oder sind die meisten Einwohner in ländlichen Regionen verteilt? Gibt es eine gut ausgebaute Infrastruktur?

Außerdem ist es hilfreich sich anzusehen, wie die Trinkwasserversorgung im Land aussieht. Wenn es nur eingeschränkten Zugang gibt, ist das Wasserholen eine zeitaufwändige und unbezahlte Care-Arbeit.

Am Ende sollte man sich anschauen, wie die Stellung der Frau in der Gesellschaft ist und wie mit LGTBQI+ Personen umgegangen wird. Wenn typische Rollenbilder stark in Politik und Gesellschaft verankert sind, wird eine Besserung der Frauenrechte nicht im Sinne des Staates sein. Um herauszufinden wie hoch der Anteil der Frauen im Gesundheitssektor ist, lohnt es sich einen Blick auf die Präsentation der UN über die Auswirkungen von Corona zu blicken.

Lexikon

Care-Arbeit

Jede Arbeit, ob bezahlt oder nicht, die für das Wohlergehen eines Menschen sorgt, fällt unter die Care-Arbeit. Darunter zählen Pflegeberufe, aber auch jede Form von Hausarbeit, Erziehung und Betreuung.

Gemeinde-Gesundheits Beauftragte (Community Health Worker, CHWs)

Diese Menschen sind Ratgeber und helfende Hand, der genaue Arbeitsumfang kann je nach Region variieren. In einigen Regionen sind sie zuständig, die Gesundheitsversorgung zu leiten, durch Präventionsmaßnahmen, Informationskampagnen oder Kontrollbesuche, in anderen sind sie Ansprechpartner für medizinische Versorgung oder den Zugang zu Medikamenten. CHWs sind keine Ärzte und dienen im Regelfall der Koordination und der Ansprechbarkeit 

soziales Versorgungssystem (Care Economy)

Eine Care Economy ist eine Gesellschaft, die das Wohlergehen der Menschen an erster Stelle stehen hat und deren Wirtschaftssystem danach ausgerichtet ist.

Quellenangaben und weiterführende Links

CIA, The world factbook, https://www.cia.gov/the-world-factbook/

- Faktensammlung der CIA (USA) über jedes Land der Erde. Sehr hilfreich, um aktuelle Daten über ein Land abzurufen, um die dortige Lage einzuschätzen. (Englisch)

Dr Esuna Dugarova (UN),Unpaid Care-Work in imes of the COVID-19 crisis, New York, 18.6.2020, https://www.un.org/development/desa/family/wp-content/uploads/sites/23/2020/06/Unpaid-care-work-in-times-of-the-COVID-19-crisis.Duragova.pdf

- Es ist eine Präsentation über unbezahlte Arbeit und die Ungleichheit gegenüber Frauen. Betrachtet wird der gesamte Globus während dem Corona-Jahr. Auf Folie 5 ist eine Karte mit den Anteilen an Frauen im Gesundheitssektor. (Englisch)

1:

Addis Ababa (UN Wirtschaftskommission für Afrika), Healthcare and economic growth in Africa, Ethopien, 2019, https://www.uneca.org/sites/default/files/keymessageanddocuments/healthreport_executive_summary.pdf

- Der aktuelle Stand des Gesundheitssektors in Afrika und wie er verbessert werden kann. (Englisch)

2:

Mathieu Boniol und weitere (WHO), Gender equity in the health workforce: Analysis of 104 countries, März 2019, https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/311314/WHO-HIS-HWF-Gender-WP1-2019.1-eng.pdf

- Auswertung des Gesundheitssektors in 104 Ländern mit besonderem Augenmerk auf die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern. (Englisch)

3:

Charlotte Schöneberger (SWR Aktuell), Sternenkinder: Kein Mutterschutz nach Totgeburt?,Deutschland, 23.11.2022,  https://youtu.be/ItaNDgZIRmQ

- Ein Bericht über Mütter, die in Deutschland tote Kinder zur Welt gebracht haben, aber nicht als Mutter anerkannt werden und darum keine staatlichen Hilfen bekommen. (Deutsch)

4:

Exemplars News, Six million women from the world’s poorest communities subsidizing delivery of essential health care, researchers say, 18.8.2022, https://www.exemplars.health/stories/six-million-women-from-the-worlds-poorest-communities - Aufarbeitung einer Studie, die zeigt, dass die ärmsten Frauen, wichtige Gesundheitsarbeit leisten. (Englisch)

5:

WHO und International Labour Organization, The gender pay gap in the health and care sector: a global analysis in the time of COVID-19, Genf, 2022, https://www.who.int/publications/i/item/9789240052895

-  Analyse der Gehälterunterschiede im globalen Gesundheitssystem zwischen Frau und Mann. (Englisch)

6:

ARTE, Brauchen wir Wirtschaftswachstum?, 28.10.2022, https://youtu.be/2Kl69bWbXnY?t=420,

- Ein Bericht über Wirtschaftswachstum und seine Grenzen. Ab Minute 7 wird erklärt, dass das viel verwendete Bruttoinlandsprodukt nicht alles erfasst, was in einem Land geleistet wird. Ein hohes BIP sagt nicht, wie gut es der Bevölkerung geht. (Deutsch)

7:

Armida Salsiah Alisjahbana (Wirtschaftskommission für Asien und den Pazifik), Addressing unpaid work in ASEAN, Bangkok, 2021, https://repository.unescap.org/rest/bitstreams/3c84d450-3cd6-48e0-8ea8-740962af654a/retrieve

- Bericht über unbezahlte Arbeit in Asien und dem Pazifik. (Englisch)

8:

José Manuel Salazar-Xirinachs (Wirtschaftskommission für Latein Amerika und der Karibik), The care society, Buenos Aires, 7.11.2022, https://conferenciamujer.cepal.org/15/sites/crm15/files/presentations/2201117_crm15_ppt_doc_pos_ing_rev_ss_incl_change_to_title_of_slide_32_0.pdf

- Präsentation über die Care Society und wie man sie in Latein Amerkia und der Karibik umsetzt. Es gibt einige interessante Schaubilder, wie die verschiedenen Themen zusammenhängen, die ein gerechtes Versorgungssystem ausmachen. (Englisch)

Wichtige Resolutionen:

Resolution: A/RES/70/1, Festlegung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung, 2015

https://www.un.org/en/development/desa/population/migration/generalassembly/docs/globalcompact/A_RES_70_1_E.pdf

Resolution: A/RES/61/106, Erklärung der Behindertenrechte, 2006

https://www.un.org/development/desa/disabilities/resources/general-assembly/convention-on-the-rights-of-persons-with-disabilities-ares61106.html

Beijing Deklaration von 1995, Großer Fortschritt für Gleichberechtigung und Frauenrechte https://www.icsspe.org/system/files/Beijing%20Declaration%20and%20Platform%20for%20Action.pdf

Der Spiegel, Kritik an Werkstätten für Menschen mit Behinderungen: »Es ist ein Dumpinglohn-System«, 5.12.2022, https://youtu.be/JCvS1IrrM-g

- Eine Reportage über Behindertenwerke in Deutschland und dass diese gegen die Rechte von Menschen mit Behinderungen verstoßen. Ein spannender Input, um zu sehen, wie schnell ein exkludierendes System entsteht. (Deutsch)

Katri Bertram und weitere (Women in Global Health Germany), Positionspapier

Frauen in den Gesundheitsberufen, Berlin, 5.10.2020, https://globalhealth.charite.de/fileadmin/user_upload/microsites/ohne_AZ/sonstige/globalhealth/Dokumente/WGHG_Position_Papers/WGH-GER_Positionspapier_Frauen_in_Gesundheitsberufen.pdf

- Women in Global Health ist eine NGO, die sich stark für bessere Bedingungen im Gesundheitswesen einsetzt. Dabei stellen sie wichtige Forderungen, die sich gut als Startpunkt für einen Resolutionsentwurf eignen. (Deutsch)

Max Nicolai Appenroth, Gesundheitsversorgung von transgeschlechtlichen Menschen, 2019, https://www.regenbogenportal.de/informationen/gesundheitsversorgung-von-transgeschlechtlichen-menschen

- Die Gesundheitsversorgung ist für transgeschlechtliche Menschen miserabel. In diesem Artikel wird aufgeschlüsselt, an welchen Punkten es hängt. Es eignet sich hervorragend, um wichtige Punkte in einem Resolutionsentwurf zu formulieren. (Deutsch)

UN WOMEN, Care Work: Increased burdens for women, https://www.unwomen.org/en/hq-complex-page/covid-19-rebuilding-for-resilience/care-work - UN-Women stellt 6 Punkte auf, die die Mitgliedsstaaten umsetzen sollten, um die Situation von Frauen zu verbessern. (Englisch)

 

 

 

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