forum Schutz regionaler Wirtschaftskreisläufe

Einführung in das Thema

Fragen zu diesem Thema können Sie an Marie Oberschelp ([email protected]) richten.

Hier gibt es das Handbuch zum Gremium

Einleitung

Seit Jahrzehnten bemühen sich Entwicklungsstaaten um den wirtschaftlichen Aufstieg und den damit verbundenen Wohlstand für die Bevölkerung. Zwar haben sich diese Staaten stark verändert und Wohlstand und Lebensqualität sind gestiegen, aber dennoch gibt es viele Hemmnisse wegen denen der Wohlstand noch nicht auf dem Stand ist, auf dem er sein könnte. Entwicklungshilfen beispielsweise zeigen häufig nicht die gewünschte Nachhaltigkeit. Das liegt auch daran, dass oft Interessenskonflikte vorliegen und die finanziellen Mittel dadurch ineffizient verwendet werden. Um die Lage der Entwicklungsländer nachhaltig zu verbessern, braucht es deshalb langfristige und nachhaltige Maßnahmen. Ein möglicher Lösungsansatz ist die Stärkung der regionalen Wirtschaftskreisläufe und damit die Stärkung der Volkswirtschaften in den Ländern. Aus diesem Grunde wird sich der Wirtschafts- und Sozialrat mit dieser Thematik beschäftigen. Die Stärkung der regionalen Wirtschaft ist des Weiteren ein sehr bedeutender Faktor, was die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen im Rahmen der Agenda 2030 (Sustainable Development Goals, SDG) betrifft. Eine Stärkung der Wirtschaft und des damit verbundenen Wohlstands bekämpft direkt die Armut vor Ort und führt oft zu weniger Hunger. Aber auch andere SDGs werden durch eine höhere Wirtschaftsleistung gefördert.

Hintergrund und Grundsätzliches

Die Weltwirtschaft hat sich durch die Globalisierung und deren Folgen in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Der internationale Handel wurde enorm ausgeweitet und dadurch hat die wirtschaftliche Kooperation zugenommen. Das bedeutet, dass deutlich mehr Waren, von Rohstoffen über Lebensmittel bis hin zu Dienstleistungen, weltweit verfügbar sind. Was beispielsweise vor einem Jahrhundert noch ein Luxusgut war, ist aus unserem heutigen Alltag nicht mehr wegzudenken. Um nur ein Beispiel dafür zu nennen: Kaffee. Dieser Handel hat viele Vorteile und kann und sollte nicht mehr rückgängig gemacht werden. Dennoch sollten die Problematiken, die der internationale und freie Handel mit sich zieht, nicht außer Acht gelassen werden.
Damit ein weltweiter, gesunder Handel möglich ist, muss sichergestellt werden, dass alle beteiligten Staaten auf Augenhöhe miteinander verhandeln können. Dafür sind stabile Volkswirtschaften von Nöten, welche wiederum von starken regionalen Wirtschaftskreisläufen gefördert werden. Allerdings werden diese oft vernachlässigt, wenn der internationale Handel ausgebaut wird. Dabei ist die regionale Wirtschaft in vielen Aspekten relevant für die Regionen. Einem Bereich, dem sie sehr zugute kommt, ist die Umwelt. Durch regionale Prozesse werden beispielsweise Verkehrsströme verringert und somit Emissionen von Transportmitteln eingespart. Solche regionalen Prozesse bedeuten strenggenommen, dass Produktion, Konsum und Entsorgung innerhalb einer Region erfolgen. Eine solche Region ist dabei nicht zwingend auf ein Staatsgebiet begrenzt. Besonders an Staatsgrenzen erstrecken sich Wirtschaftsprozesse über die Grenze hinweg.
Positive Effekte zeigen sich aber auch schon bei regionalen Produktionsketten, die bei der Gewinnung eines Rohstoffs beginnen und bei der Weiterverarbeitung zum Endprodukt in derselben Region endet. Denn dadurch entstehen neben den Umweltfaktoren auch Arbeitsplätze für die Bevölkerung und die regionale Wertschöpfung wird gestärkt.
Trotz der vielen positiven Nebenwirkungen einer starken regionalen Wirtschaft sind diese oft nicht in einem stabilen Zustand und leiden unter den Folgen der Globalisierung. Teilweise sind diese Gründe auch historisch schon seit Jahrzehnten in der Geschichte verankert. Was grundsätzlich festzustellen ist, ist, dass vor allem Entwicklungs- und Schwellenländer von diesen Problemen betroffen sind. Diese Länder haben häufig eine schwache und wenig stabile Wirtschaft und leiden auch heute noch unter den Folgen des Kolonialismus. Um von der Globalisierung wirklich profitieren zu können, brauchen diese Staaten funktionierende und stabile Volkswirtschaften. Zurzeit profitieren Industriestaaten am meisten an der Globalisierung, was auf ihre Marktmacht zurückzuführen ist.
Diese einseitige Verteilung der Vorteile ist schwer zu überwinden, da die wirtschaftliche Situation der jeweiligen Staaten und die daraus resultierende Verhandlungsposition (Marktmacht) eine bedeutende Rolle spielt. Die wichtigsten Akteur*innen bei dieser Thematik stellen Organisationen wie die Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO), der Internationale Währungsfonds (International Monetary Found, IWF) oder die Weltbank (World Bank Group) und weitere Handelsabkommen und -bündnisse dar. Die ersten drei genannten Organisationen sind Sonderorganisationen der UN oder arbeiten eng mit den UN zusammen. Sie setzen sich aus fast allen Staaten der Welt zusammen, ähnlich wie die UN selbst. Damit haben sie eine globale Reichweite. Handelsabkommen und Bündnisse hingegen werden oft nur zwischen einzelnen oder einer bestimmten Gruppe von Staaten geschlossen. Beispiele hierfür sind die Europäische Union, das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA), der Verband südostasiatischer Nationen (ASEAN) und das Freihandelsabkommen der afrikanischen Union (ZLECA).
Hier zeigen sich auch die beiden verschiedenen Strömungen bei der Ausweitung und Realisation des internationalen Handels. Besonders die WTO hat zum Ziel, weltweit gültige Regeln zu schaffen, anhand derer alle Staaten miteinander handeln können und sollen. Dabei wird darauf geachtet, dass alle Staaten gleichberechtigte Marktteilnehmer sind und vom Handel gleichermaßen profitieren.
Dagegen stehen Freihandelsabkommen zwischen einzelnen Staaten oder Staatengruppen. Diese handeln Handelsbedingungen aus, die exklusiv für die Parteien des Abkommens gelten. Dadurch werden andere Staaten außen vor gelassen und auch beim Verhandlungsprozess zu den Abkommen gibt es häufig ungleich verteilte Verhandlungspositionen. Besonders ärmere Staaten sind auf den Handel mit reicheren Ländern angewiesen, wodurch sich bei der Verhandlung Abhängigkeiten ergeben können, die von den reicheren Staaten ausgenutzt werden können. Dadurch ergibt sich häufig, dass die teilnehmenden Staaten nicht gleichermaßen von dem Abkommen profitieren, wenn sie nicht die gleiche Verhandlungsmacht besitzen.

Aktuelles

In der heutigen Zeit werden regionale Wirtschaftskreisläufe vor allem durch Freihandelsabkommen bedroht, durch die die regionalen Wertschöpfungsketten aufgebrochen werden oder gar nicht erst entstehen können.
Um diese Probleme anzugehen beschäftigen sich innerhalb der Vereinten Nationen nicht nur der Wirtschafts- und Sozialrat mit der Thematik sondern auch die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (United Nations Conference on Trade and Development, UNCTAD). Diese ist ein Organ der Generalversammlung und beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Handel zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Zusätzlich dazu ist die Welthandelsorganisation (WTO) für rechtliche Rahmenbedingungen des weltweiten Handels zuständig. Das beinhaltet sowohl die Ausweitung als auch die Regulierung dessen.
Probleme für die Wirtschaftskreisläufe in ärmeren Regionen ergeben sich vor allem dann, wenn reichere Staaten zugunsten ihrer Unternehmen eingreifen und ihnen bessere Wettbewerbsbedingungen ermöglichen. Durch das Verbot von spezifischen Schutzzöllen, können die Staaten ihre Wirtschaft oft nicht ausreichend davor schützen.
Solche Eingriffe können über verschiedene Wege passieren. Besonders im Handel mit Afrika stehen China und die EU in der Kritik, ihren Unternehmen durch hohe Subventionen zu ermöglichen, Produkte günstiger anzubieten, als es andere Marktteilnehmer können. Bei Agrarprodukten führt das so weit, dass die in Europa hergestellten Güter in afrikanischen Ländern günstiger verkauft werden, als die vor Ort hergestellten. Trotz niedriger Produktionsbedingungen vor Ort.
Das schadet der regionalen Wirtschaft massiv und führt dazu, dass regionale Unternehmen nicht weiter bestehen können. Die Folge ist ein Stagnieren der Wirtschaft.
Teilweise entstehen solche Probleme aber bereits beim Aushandeln von Freihandelsabkommen. Die ärmeren Staaten sind darauf angewiesen mit reichen Staaten und Wirtschaftsregionen zu handeln um die interne Wirtschaft zu steigern. Dadurch ergibt sich eine stärkere Verhandlungsposition für Industriestaaten, die wiederum ihre Wirtschaft begünstigen möchten. Häufig zum Schaden der anderen Verhandlungsparteien, die sich nicht ausreichend wehren können.
Ein weiteres Problem, dass sich vor allem zukünftig abzeichnen kann ist eine Schwächung der Position der WTO. Viele Industriestaaten versuchen ihre Handelsbeziehung zunehmend durch Freihandelsabkommen zu vertiefen. Dabei leidet oft die WTO, wie sich jüngst zeigt, weil die USA keine neuen Richter*innen für Gerichte der WTO ernennen wollen. Das führt bis hin zu einer Arbeitsunfähigkeit dieser Gremien und dadurch wichtiger Kontrollinstanzen des weltweiten Handels. Ärmere Staaten trifft das insofern, dass sie gegen Benachteiligungen nicht mehr in geeignetem Maß vorgehen können.

Probleme und Lösungsansätze

Bei der Lösung dieser Problematik muss eine Abwägung zwischen freiem Handeln der Marktakteure und den Möglichkeiten zur Stärkung der regionalen Wirtschaft stattfinden.
Das kann nur passieren, wenn alle Staaten auf Augenhöhe miteinander verhandeln können und sich auf Handelsbedingungen einigen können, die im Interesse aller sind.
Das kann erreicht werden, indem die WTO weiter gestärkt und ausgeweitet wird, um die Regeln aus einzelnen Freihandelsabkommen zu weltweiten Regeln zu erweitern und allen zugänglich zu machen. Dadurch kann verhindert werden, dass Machtpositionen in Verhandlungen ausgenutzt werden. Allerdings können die Regeln auch nicht den individuellen Bedürfnissen einzelner Staaten angepasst werden.
Eine weitere Möglichkeit ist, die Verhandlungspositionen der ärmeren Staaten bei Freihandelsabkommen zu stärken. Was wahrscheinlich die effizienteste Lösung ist, bringt auch viele Schwierigkeiten mit sich. Zum einen müssten die Vereinten Nationen in die Freiheit von Staaten eingreifen, mit anderen Staaten Abkommen zu schließen und frei zu verhandeln. Zum anderen ist nicht immer klar auszumachen, welche Position die schwächere ist oder wer in Zukunft von einem Abkommen profitieren wird. Genauso können Staaten verschiedene Interessen im Handel durchsetzen wollen, was die Beurteilung der Verhandlungen von außen zusätzlich erschwert. Sollte sich hier jedoch eine Lösung finden, ist es vermutlich eine, die wenige Kollateralschäden aufweist. Generell sollte eine Möglichkeit gefunden werden, wie Staaten im internationalen Handel den Subventionen anderer Staaten entgegen wirken können, damit die eigene Wirtschaft einem gleichberechtigten Wettbewerb gegenübersteht.
Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass Staaten bei manchen Industrien nicht nur die Wirtschaftlichkeit sondern auch die Versorgungssicherheit im Auge haben. Oft ist es für Krisensituationen sinnvoll, die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen zu können, selbst wenn das gewisse Kosten mit sich bringt. Auch hier muss abgewägt werden, sodass Handel stattfindet, dieser aber nicht die Versorgungssicherheit in zu großem Maß gefährdet.
Generell sollte versucht werden, dass Staaten und die regionalen Wirtschaften weiterhin die Möglichkeit haben, Wertschöpfungsketten aufzubauen und dadurch eine stabile und nachhaltig sichere Wirtschaft aufzubauen.

Punkte zur Diskussion

  • Wie kann man die regionalen Wirtschaftskreisläufe konkret fördern und unterstützen?
  • Auf welche Weise können den Entwicklungs- und Schwellenländern mehr Rechte im Hinblick auf Selbst- und Mitbestimmung zugesichert werden?
  • Welche Anreize können geschaffen werden, damit Staaten stärker auf multilateralen Handel im Sinne der WTO setzen?
  • Wie können Handelsabkommen verbessert und negative Auswirkungen verhindert werden?
  • Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um den Welthandel fairer und mit einem Mehrwert für alle beteiligten Akteure zu gestalten?

Besonders hilfreiche Quellen

Quellenangaben und weiterführende Links

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