forum Reform des globalen Emissionshandels

Einführung in das Thema

Fragen zu diesem Thema können Sie an Lisa Lauton ([email protected]) richten.

Hier gibt es das Handbuch zum Gremium

Einleitung

Emissionshandel ist ein marktbasierter Ansatz, der zur Kontrolle bzw. Einschränkung des Ausstoßes von klimaschädlichen Gasen (z.B. CO2, Stickoxide,…) dienen soll. Durch die Bepreisung von Emissionen werden diese wirtschaftlich unattraktiver – und privatwirtschaftliche Unternehmen haben einen Anreiz, diese einzusparen, also nachhaltiger zu werden.
Bisher gibt es mehrere regionale, aber keine globalen Emissionshandelsregime (Regime sollte hier verstanden werden als “Regelungssystem”). 2016 waren 40 Länder Teil mindestens eines solchen Regimes und bepreisten insgesamt ca. 12 Prozent des globalen Treibhausgas-Ausstoßes. Das größte und älteste dieser Emissionshandelsregime weltweit ist heutzutage das europäische Emissionshandelssystem (EU-ETS), das einen Preis für Schadstoffausstoß (hier: CO2, N2O und PFC) in 31 Ländern festlegt. Auch im Pariser Abkommen wurde kein globales Handelsregime etabliert.
Die bisherige Erfahrung zeigt, dass – falls Emissionshandelsregime richtig entworfen werden – diese ein sehr effektives und transparentes Werkzeug sein können, um Emissionen nachhaltig zu reduzieren. Der Entwurf eines nachhaltigen globalen Emissionshandelssystems ist allerdings ein sehr schwieriges Unterfangen. Wird der Preis für Emissionen zu hoch angesetzt, kann er Wirtschaftswachstum und Entwicklung behindern. Ist er zu gering, wird der positive Klimaeffekt voraussichtlich nicht erreicht.

Hintergrund und Grundsätzliches

Treibhausgase sind (ohne Vorhandensein eines Emissionshandelssystems) das Paradebeispiel für eine so genannte Externalität. In der Volkswirtschaft werden so Güter bezeichnet, die kollektive Kosten, also Kosten für die Allgemeinheit, haben, welche aber nicht (vollständig) vom Erzeuger*von der Erzeugerin getragen werden. Firmen stoßen in diesem Fall also Emissionen aus, die z.B. zum Klimawandel beitragen. Das bedeutet, dass die Firmen nicht die vollständigen Kosten ihrer Produktion tragen und somit überdurchschnittlich viel zur Umweltverschmutzung beitragen.
Emissionszertifikate sind eine Möglichkeit, diesen Missstand zu bekämpfen – die Externalitäten also zu internalisieren und den Preis auf die Erzeuger*innen umzulegen. Mit Zertifikaten wird ein Preis für Treibhausgas-Einheiten festgesetzt (meist pro Tonne). Für jede Einheit, die an Treibhausgasen produziert wird, müssen die Unternehmen also Zertifikate kaufen, um diese ausstoßen zu dürfen; ansonsten werden hohe Strafzahlungen fällig. Unternehmen, die besonders klimaschonend produzieren, können überschüssige Zertifikate verkaufen und somit wirtschaftlichen Gewinn erzielen. Unternehmen, die viele Treibhausgase ausstoßen, müssen diese durch den Kauf von Zertifikaten kompensieren und entsprechend zusätzlich Geld ausgeben. Dies ist ein Anreiz für Unternehmen, klimaschonender zu werden und nachhaltiger zu wirtschaften.
Der wichtigste Hebel für die Wirkung von Emissionszertifikaten ist selbstredend der Preis – dieser wird durch die Menge der im Umlauf befindlichen Zertifikaten festgelegt. Bei der Einführung von Emissionshandelssystemen legen Regierungen eine fixe Menge im Umlauf befindlicher Zertifikate fest. In der EU wurden in Phase 1 und 2 der bestehenden Regelungen beispielsweise Gratiszertifikate für die bestehende Schadstoffausstoßmenge verteilt. Nach und nach werden Zertifikate aus dem Markt genommen bzw. weniger Gratiszertifikate verteilt, um eine progressive Senkung der ausgestoßenen Schadstoffe anzureizen.
Wie viele Maßnahmen wird auch der Emissionshandel unterschiedlich bewertet. Befürworter*innen des Systems unterstreichen die marktwirtschaftliche Herangehensweise zur Senkung von Klimagasen. Emissionshandel beruht auf bekannten Angebot- und Nachfrage-Mechanismen. Des Weiteren ist der staatliche Eingriff in das Wirtschaftssystem relativ gering, obwohl die genaue Anzahl im Kreislauf befindlicher Zertifikate staatlich festgelegt wird. Darüber hinaus wären andere zentrale Steuerungsmechanismen, wie beispielsweise die Einführung einer CO2-Steuer, wesentlich aufwendiger und schwieriger einzuhalten bzw. mit mehr Bürokratie verbunden. Außerdem ist der Handel von Emissionszertifikaten technologieneutral. Anders als beispielsweise bei Subventionen, die nur eine bestimmte Technologie fördern, werden durch Zertifikatehandel keine Technologien benachteiligt – je weniger Treibhausgase sie ausstoßen, desto besser für die Unternehmen, egal auf welche Weise.
Gegner*innen führen unter anderem auf, dass das System schwer zu steuern ist. Oftmals fehlen die notwendigen Daten, was zu Preisverzerrungen führen kann. In der Phase 1 des Europäischen Zertifikatehandels wurde die Anzahl der initial ausgegebenen Zertifikate auf der Basis von Schätzungen festgelegt (bessere Daten gab es nicht). Dies hatte zur Folge, dass viel zu viele Zertifikate ausgegeben wurden. Ihr Preis fiel auf null, was selbstredend keine Steuerungswirkung hatte. Des Weiteren ist unklar, wie viele Einheiten aus dem Markt genommen werden müssen, um effektiven Klimaschutz zu betreiben. Kritiker*innen führen zudem an, dass Emissionshandel den Verbrauch von klimaschädlichen Technologien nicht verhindert, sondern so lange wie möglich weiter leben lässt. Anstatt diese zu verbieten, werden sie so lange im Markt belassen, wie Anbieter*innen für sie zahlen können.

Aktuelles

Obwohl im Rahmen des Pariser Abkommens kein internationales Emissionshandelssystem geschaffen wurde, wird die Idee in immer mehr Ländern umgesetzt. Das europäische System (EU-ETS) existiert seit 2005 und gilt als Blaupause für viele andere Regierungen. Zur Zeit befindet sich das EU-ETS in der dritten Phase (noch bis 2020), in der eine EU-weite Grenze zum Schadstoffausstoß festgelegt wird und Zertifikatehandel die primäre Quelle für Firmen ist, ihre Verschmutzung zu kompensieren. Ab 2021 wird Phase 4 beginnen, in der die jährliche Zertifikate-Reduktion weiter angekurbelt werden soll.
Weitere etablierte Emissionshandelsregime gibt es in Neuseeland, Südkorea, der Schweiz und Japan (letzteres nur auf freiwilliger Basis). Substaatlicher Emissionshandel wird in manchen US-amerikanischen Staaten (Kalifornien und Washington) sowie in Kanada (Ontario und Quebec) betrieben.
Seit einigen Jahren planen immer mehr Entwicklungs- und Schwellenländer die Einführung eines Emissions-Systems. Die Vorreiter*innen hier sind Mexiko (zusätzlich zur schon bestehenden Treibhausgas-Steuer; geplant 2021) und China (geplant 2020). Oftmals sind die Ansätze jedoch umstritten. So soll in China das System keine Ausstoß-Obergrenze besitzen und laut Regierungsaussagen nur Kraftwerksemissionen umfassen. Sollte das System allerdings flächendeckend zum Einsatz kommen, wäre es umgehend das größte Emissionshandelssystem weltweit.
Im Rahmen des Pariser Abkommens werden Emissionshandelssysteme immer stärker diskutiert. Wie schon im oberen Abschnitt dargestellt, können diese ein effizienter Weg sein, privatwirtschaftliche Akteur*innen ohne größere ökonomische Verzerrungen am Klimaschutz zu beteiligen. Allerdings sind auch diese Handelssysteme keine Wunderlösung gegen die globale Erwärmung. Ohne politischen Willen und internationale Kooperation werden ihre Effekte begrenzt bleiben. Ein wichtiger Schritt wäre hier vor allem die Einführung eines globalen Emissionshandelssystems, die zurzeit allerdings noch weit entfernt scheint.

Probleme und Lösungsansätze

Wie beschrieben ist Emissionshandel allein keine Wunderwaffe gegen den Klimawandel. Der eindringlichste Nachteil nationaler Handelssysteme ist, dass sich Klimagase nicht an nationale/ regionale Grenzen halten. Verschmutzung in einem Nationalstaat ohne Handelssystem breitet sich problemlos in anliegenden Staaten aus und entfaltet die gleiche negative Klima- bzw. Gesundheitswirkung. Entsprechend können große Emissionsreduktionen durch gegenläufige Verhaltensweisen anderer Staaten zunichte gemacht werden. Im Rahmen des Pariser Klimaabkommens wurden solche Handelsregime zwar angesprochen, aber die Umsetzung und genaue Funktionsweisen des “Artikel 6” sind nach wie vor offen.
Des Weiteren müssten im Rahmen der Einführung eines globalen Handelsregimes selbstredend sämtliche Fragen, die sich bei der Einführung nationaler Systeme stellen, international beantwortet werden. Also: wie kommen Zertifikate in den Handel? Für welche Emissionen muss gezahlt werden (die, die ein Unternehmen innerhalb seines Hauptsitz-Landes ausstößt oder für alle Schritte entlang der Produktionslinie über Grenzen hinweg)? Und welche klimaschädlichen Gase sollen betrachtet werden? Während dies auf nationaler Ebene schon eine Herausforderung ist, kann dies bei mehr Beteiligten nur komplexer werden.
Der Flickenteppich an Regulierungen bietet Unternehmen weiterhin Raum dazu, die lockeren Regeln auszunutzen. Unternehmen, die in einem Regime mit Emissionshandel produzieren, müssen für ihre Treibhausgase zahlen. Sie sind entsprechend gegenüber Unternehmen benachteiligt, die dies nicht müssen. Entsprechend kann das Verhindern eines Emissionshandelsregime für Länder wirtschaftlich vorteilhaft sein, da Unternehmen aus stärker regulierten Gebieten abwandern können.
Zudem ist eine Vielzahl nationaler/regionaler Systeme enorm unübersichtlich und führt zu bürokratischen Lasten. Ein Unternehmen, das in mehr als einem Staat tätig ist, muss die Übersicht über diverse regulatorische Systeme behalten. Entsprechend können komplexe Emissionshandelsregime schädlich für die Globalisierung sein, da sie eine weitere Hürde für Wohlverhaltens-Überlegungen darstellen.
Gleichzeitig kann argumentiert werden, dass eine Vielzahl nationaler/regionaler Systeme im Laufe der Zeit zu einem globalen System zusammengeführt werden kann. Entsprechend wäre es vorteilhaft, wenn so viele Staaten/Regionen wie möglich Emissionshandelsschemata einführen würden. Dies ist allerdings leichter gesagt als getan. Wie weiter oben beschrieben, ist die Einführung eines solchen Systems sehr komplex. Die notwendigen Daten werden meist nicht erhoben, weshalb die Erstausgabe von Verschmutzungszertifikaten in den meisten Fällen auf Schätzungen beruht. Dies kann jedoch dazu führen, dass entweder zu viele oder zu wenige Zertifikate ausgegeben werden. Werden zu viele Zertifikate ausgegeben, wie im Falle der EU, fällt der Preis pro Schadstoff-Einheit – im schlechtesten Fall auf null. Das bedeutet, dass keine Preiswirkung eintritt; die Unternehmen also nicht dazu angehalten sind, ihren Schadstoffausstoß zu verringern. Werden zu wenige Zertifikate ausgegeben, kann dies negative wirtschaftliche Auswirkungen haben. Da der Preis für Verschmutzung stark ansteigen würde, würde dies auch den Preis für die produzierten Waren erhöhen. Hierdurch werden solche Produkte weniger wettbewerbsfähig und die Wirtschaft wächst nicht weiter oder schrumpft sogar.
Auch können Zertifikate wirtschaftliche Verzerrungen herbeiführen. Betrachten wir für einen Moment die Produktion eines Produktes, das in einem Land innerhalb eines Handelsregimes aufgrund z.B. klimatischer Bedingungen signifikant CO2-sparender hergestellt werden kann als in einem anderen. Solche Produkte könnten beispielsweise Keramiken oder Ziegel sein, die in Südeuropa aufgrund höherer Durchschnittstemperaturen und milderer Winter umweltschonender hergestellt werden können als in Nordeuropa. Entsprechend müssen Firmen z.B. in Spanien weniger Verschmutzungszertifikate kaufen als in Deutschland – mit entsprechendem Wettbewerbsnachteil für die deutschen Fabrikant*innen. Auf der positiven Seite führt dies dazu, dass sich effiziente Herstellungsorte und -verfahren im Markt leichter durchsetzen. Auf der negativen Seite jedoch kann dies zum Absterben ganzer Industrien und wirtschaftlichen Abhängigkeiten führen.
Zuletzt muss angeführt werden, dass der Zertifikatehandel und die Senkung der sich im Umlauf befindlichen Zertifikate keine exakten Wissenschaften sind. Es besteht kein wissenschaftlicher Konsens, wie viele Zertifikate genau in welchem Zeitraum aus dem Markt genommen werden müssen, um den Klimawandel aufzuhalten. Wie bei jeder Herangehensweise, um die globale Erderwärmung aufzuhalten, handelt es sich letztlich um eine politische Entscheidung, die nur durch politischen Willen und (international durch) Konsens umgesetzt werden kann.

Punkte zur Diskussion

  • Sollte ein globaler Emissionshandel eingeführt werden? Wenn ja, was sollten die Rahmenpunkte sein? Wie kann gemeinsam entschieden werden, wie stark (oder überhaupt) sich im Umlauf befindliche Zertifikate gesenkt werden? Wie können Entwicklungsstaaten kompensiert und dafür gesorgt werden, dass ihre Entwicklung nicht gefährdet wird? Wie kommen Zertifikate in den Handel? Für welche Emissionen muss gezahlt werden (die, die ein Unternehmen innerhalb seines Hauptsitz-Landes ausstößt oder für alle Schritte entlang der Produktionslinie über Grenzen hinweg)?
  • Sollten Länder dazu angehalten werden, regionale/nationale Emissionshandelsregime einzuführen? Wenn ja, wie kann dafür gesorgt werden, dass diese einen angemessenen Anfangspunkt finden? Wie kann vorhandenes Know-How bestmöglich geteilt werden?
  • Kann es Alternativlösungen zum globalen Emissionshandel geben? Wie können diese aussehen? Welche Institutionen wären dafür angebracht?
  • Welche UN-Organisationen können für die obenstehenden Punkte relevant sein? Welche Organe könnten für die Einführung und Durchführung verantwortlich sein? Welche Kompetenzen und Ausstattungen benötigen diese Organe?

Hilfreiche Dokumente

Nützliche Quellen

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