forum Wirtschaftliche Ungleichheit als Hindernis nachhaltiger Entwicklung

Einführung in das Thema

Einleitung

Spätestens 2016, bei der Entwicklung der Sustainable Development Goals (SDGs), haben die Vereinten Nationen (VN) erkannt, welchen wichtigen Einfluss wirtschaftliche Ungleichheit auf nachhaltige Entwicklung haben kann. Daher wurde damals im 10. SDG formuliert, dass Ungleichheit nicht nur global, im Vergleich von verschiedenen Ländern, sondern auch innerhalb von Staaten abgebaut werden muss, um eine nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen.

Eng verbunden mit dem Erreichen des 10. SDG, ist ebenfalls das 5. SDG, die Gleichstellung der Geschlechter, da ein großer Teil der Ungleichheit der Gehälter auf das Geschlecht zurückzuführen ist. So sind Frauen gefährdeter, unterhalb der Armutsgrenze zu leben. Aber auch in den SDGs 1, 2, 3, 4 und 8 wird wirtschaftliche Ungleichheit erwähnt.

Häufig ist die wirtschaftliche Ungleichheit eng verknüpft mit anderen Formen der Ungleichheit. Hierbei sind neben der bereits erwähnten Geschlechterungleichheit auch weitere Aspekte von politischer oder sozialer Ungleichheit zu nennen, wie der Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe, Religion oder anderen Faktoren.

Hintergrund und Grundsätzliches

Wirtschaftliche Ungleichheit ist ein Problem, welches bereits seit Jahrhunderten existiert. Spätestens mit dem Beginn der Industrialisierung haben sich die noch heute vorhandenen Einkommensschichten gebildet und die Ungleichheit zwischen diesen wurde sichtbar. Während Arbeiter häufig unter prekären Bedingungen lebten und meistens nicht die Mittel hatten ihre Kinder in die Schule zu schicken, bauten sich Industrielle großzügige Anwesen und sandten ihre Kinder auf teure Privatschulen. Dieser Bildungsunterschied zementierte die Ungleichheit über Generationen. Inzwischen konnte diese Ungleichheit durch Maßnahmen wie kostenloser Bildung, Mindestlöhne und vieler sozialen Sicherungssystemen in einigen Ländern etwas abgebaut werden. Durch international geringe Erbschaftssteuern konnten viele Familien jedoch massiv Einkommen anhäufen. Dies hat auch dazu beigetragen, dass ein Großteil des Vermögens in der westlichen Welt liegt. 

Vor allem afrikanische Länder kämpfen im Hinblick auf wirtschaftliche Ungleichheit nicht nur im eigenen Land, sondern auch international immer noch mit den Spätfolgen der Kolonialisierung. Der gesamte afrikanische Kontinent hat nominal eine geringere Wirtschaftsleistung als Deutschland allein. Einer der Gründe hierfür ist, dass viele der Kolonien durch europäische Mächte ausgebeutet wurden, welche damit ihren Vorsprung in wirtschaftlicher Entwicklung ausbauen konnten, und die Kolonien mit ausgebeuteten Ressourcen und sozialen Problemen zurück ließen. 

Wirtschaftliche Ungleichheit gliedert sich in zwei Bereiche: die Einkommensungleichheit und die Vermögensungleichheit. Als Einkommen wird das Geld bezeichnet, das einer Person zufließt, dies ist meist das Gehalt. Als Vermögen einer Person wird die Summe aller finanzieller Mittel gesehen. Dies umfasst unter anderem das Geld auf dem Konto,  Immobilien und Aktien. Zur Messung der Einkommensungleichheit nutzt die Europäische Kommission das S80/S20 Einkommensquintilverhältnis. S80/S20 setzt das Einkommen der 20% der Bevölkerung mit dem höchsten Einkommen (5. Quintil) mit dem Einkommen der 20% der Bevölkerung mit dem niedrigsten Einkommen (1. Quintil) ins Verhältnis. Für das Beispiel Deutschland, welches 2017 ein Verhältnis von 4,5 hatte, bedeutet dies, dass die 20% der Deutschen mit dem höchsten Einkommen 4,5 mal mehr verdienen als die 20% der Deutschen mit dem niedrigsten Einkommen. 

Ebenfalls häufig genutzt wird der Gini-Koeffizient. Dieser Koeffizient wird mathematisch berechnet und gibt auf einer Skala von 0 (alle besitzen gleich viel) und 1 (eine Person besitzt das gesamte Einkommen) an, wie Einkommen oder Vermögen innerhalb eines Landes verteilt sind. Weltweit gesehen besitzen die reichsten 10% insgesamt 85% des weltweiten Vermögens. Die Ärmsten 50% kommen nur annähernd auf 1%. Der globale Gini-Koeffizient hat also einen sehr hohen Wert und spricht für eine große Ungleichheit.

Diese wirtschaftliche Ungleichheit trifft insbesondere Frauen, welche häufig traditionelle Rollenbilder einnehmen müssen und daher häufig kein Einkommen für ihre Arbeit haben, wie zum Beispiel Kinderbetreuung, Pflege von Familienangehörigen, Haushaltsarbeiten, uvm.. Es wird geschätzt, dass diese unbezahlten Arbeiten einen Wert von ungefähr 9,25 Bio. Euro haben. 

In dem 1987 vorgelegten Abschlussbericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, welche auch unter dem Namen „Brundtland-Kommission“ bekannt wurde, wurde Nachhaltige Entwicklung (im Englischen sustainable development) als „Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können", definiert. Im Deutschen wird für das englische sustainable development neben nachhaltiger Entwicklung, auch dauerhafte oder zukunftsfähige Entwicklung benutzt. Allein daran lässt sich schon erkennen, dass unter nachhaltiger Entwicklung vielerlei verstanden werden kann. 

Nachhaltige Entwicklung setzt sich aus drei Dimensionen zusammen. Namentlich sind das die ökonomische, ökologische und soziale Dimensionen. Die soziale Dimension beschäftigt sich mit dem Zugang zu Chancen und Ressourcen und der Verteilung ebendieser. Diese Dimension beinhaltet auch die Fragen der Geschlechtergerechtigkeit. Themen wie Natur und natürliche Ressourcen wird von der ökologischen Dimension abgedeckt. Insbesondere sollen die von Produktion und Konsum verursachten Schäden an der Umwelt berücksichtigt werden. Diese Schäden werden auch als ökologischen Kosten bezeichnet. Die bereits behandelten wirtschaftlichen Ungleichheiten fallen in die ökonomische Dimension. Ebenso wie die Fokussierung auf langfristige und nachhaltige Erträge anstelle von kurzfristigen hohen Gewinnen.

Aktuelles

Die 1992 beschlossene “Rio-Erklärung” war einer der ersten internationalen Verträge, welcher nachhaltige Entwicklung als ein Ziel formulierte. Jedoch ist dieser Vertrag nicht völkerrechtlich bindend. Eines der größten Probleme bei solchen Verträgen war die Befürchtung, insbesondere vorgetragen von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, welche auch als BRICS-Staaten bezeichnet werden, dass Industriestaaten mit ökologischen Begründungen Wachstum in Schwellenländern verhindern möchten. Grundsatz 7 der Rio-Erklärung spricht daher von „unterschiedlichen Verantwortlichkeiten“ aufgrund von „unterschiedlichen Beiträgen zur globalen Umweltverschlechterung“. In Grundsätzen 6 und 9 ist insbesondere aufgeführt, dass Entwicklungsländer auch aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage besonders unterstützt werden sollen. 

Es stehen sich also zwei Fraktionen bei der Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie gegenüber. Eine macht geltend, dass wirtschaftliches Wachstum zwingend notwendig ist, um sich Ökologie leisten zu können, während die andere Seite sagt, dass wenn die Ökologie gegenüber dem wirtschaftlichen Handeln zurückgestellt wird, die natürliche Grundlage des menschlichen Überlebens unwiederbringlich zerstört wird. 

Um feststellen zu können, ob die Weltgemeinschaft Fortschritte bei den SGDs erzielt, hat die UN für alle SDGs Ziele formuliert, welche regelmäßig überprüft werden. Im Falle des SDG 10, welches sich mit der Reduzierung der wirtschaftlichen Ungleichheit beschäftigt, wurden 7 solcher Ziele festgelegt. Eines der Ziele ist, dass die unteren 40% der Bevölkerung einen höheren Einkommenszuwachs erzielen als der nationale Durchschnitt. Ihr Einkommen soll also schneller wachsen, als das der Mittel- und Oberschicht. Dieses Ziel konnte in vielen Ländern erreicht werden. Jedoch sind die Reichen trotzdem disproportional reicher geworden.

Auch die UN benutzt zum Vergleich von Einkommensungleichheit den Gini-Koeffizient. Nach den Zahlen der UN, welche für 84 Staaten zur Verfügung stehen, ist der Index in 38 Ländern gefallen (die Ungleichheit nahm also ab), in 25 Ländern ist der Index gestiegen und in den restlichen Ländern konnte keine große Veränderung festgestellt werden. Die UN weist jedoch insbesondere darauf hin, dass die Ungleichheit noch immer auf einem sehr hohen Level ist. 

Im Hinblick auf die COVID-19 Pandemie hat die UN im Mai 2020 sich genauer mit dem SDG 10 beschäftigt und mit den Auswirkungen der Pandemie auf dieses Ziel. Der UN-Generalsekretär António Guterres sagte:„Das Virus diskriminiert nicht, aber seine Auswirkungen tun es“. Hiermit weist er insbesondere darauf hin, dass die Pandemie insbesondere die ärmsten und anfälligsten Personengruppen trifft und damit Ungleichheiten noch verstärkt werden. Die UN schätzt mit Verweis auf unterschiedliche Quellen, dass 2020, aufgrund der Pandemie, 49 Millionen Personen in extreme Armut und 265 Millionen vom Verhungern bedroht werden könnten. Dazu kommen auch Faktoren wie der Zugang zum Gesundheitssystem oder sanitären Einrichtungen, welche vor allem in armen Regionen nicht ausreichend verfügbar sind. Der Generalsekretär hat daher die Mitgliedstaaten dazu aufgerufen sich mit den Ärmsten und Anfälligsten zu solidarisieren und bat die Staatengemeinschaft ihr Versprechen „niemanden zurückzulassen“ zu würdigen. 

Probleme und Lösungsansätze

Es wurde bereits erwähnt, dass sich nachhaltige Entwicklung aus drei Dimensionen zusammensetzt, der Ökologischen, der Sozialen und der Ökonomischen. Eine nachhaltige Entwicklung kann daher nur erreicht werden, wenn die Menschheit in allen drei Dimensionen Fortschritte vorweisen kann. Die Dimensionen sind jedoch häufig nicht nur mit der nachhaltigen Entwicklung verbunden, sondern stehen auch in wechselseitigen Beziehungen untereinander. 

In der Sahelzone beispielsweise, treffen ökonomische Faktoren wie Armut und Unterernährung auf soziale Faktoren wie ein schlechtes Bildungssystem und geringe Teilhabe an politischen Prozessen auf ökologische Faktoren, wie eine fortschreitende Desertifikation und Wassermangel. Hierbei kann ohne eine gute ökonomische Grundlage keine Verbesserung in Themen wie besserer Bildung oder dem Schutz vor ökologischen Folgen erzielt werden. Umgekehrt erscheint es auch unwahrscheinlich, dass mit dem aktuellen Bildungssystem und ökologischen Problemen eine Verbesserung der ökonomischen Situation erreicht werden könnte. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen können externe Impulse helfen, um die Staaten der Region zu unterstützen. 

Diese Impulse können verschiedene Formen haben. Die bekannteste hierbei ist sicher die Unterstützung der betroffenen Staaten im Rahmen der staatlichen Entwicklungshilfe. Diese Unterstützung kann einerseits monetär, aber auch ideell sein. Zudem können auch NGOs und Supranationale Organisationen hier entsprechend eingebunden werden. Auch möglich sind Ausländische Direktinvestitionen (ADI), bei denen privatwirtschaftliche Unternehmen direkt in die entsprechenden Staaten investieren. Bei jeglicher Art von finanzieller Förderung müssen jedoch vielerlei Dinge beachtet werden. Wird mit diesem Geld beispielsweise nur ein Tankwagen gekauft, welcher sauberes Wasser liefert, ist den Menschen zwar kurzzeitig geholfen. Wenn dieses Geld jedoch beispielsweise dafür genutzt wird, um einen Brunnen zu bauen und die lokale Bevölkerung im Umgang mit Wasser und dem Brunnen geschult wird, kann dies eine langfristige Verbesserung der Lebensumstände bewirken. Außerdem ist in vielen armen Staaten die Korruption sehr hoch, was dazu führt, dass nicht alle Gelder dort ankommen, wo sie benötigt werden. Viele Organisationen und Staaten gehen daher dazu über, Unterstützung entweder durch qualifiziertes Personal, welches die lokale Bevölkerung schult oder durch Materialien oder Maschinen zu leisten, da diese Maßnahmen häufig einen besseren langfristigen Nutzen zeigen. Obwohl die bereits genannten Verbindungen zwischen den einzelnen Dimensionen existieren, heißt dies nicht automatisch, dass wenn ein Land in einer Dimension große Fortschritte macht, dies auch zu Fortschritten in anderen Dimensionen führt. Nur weil der ökonomische Wohlstand in einer Region sich erhöht, bedeutet es nicht, dass dieser Wohlstand auch dafür eingesetzt wird, dass in soziale oder ökologische Faktoren investiert wird. 

Die UN schlägt vor, die Ungleichheit zu bekämpfen, indem die jeweiligen Staaten Gesetze erlassen, um faire Löhne zu garantieren, sowie soziale Sicherungssysteme zu etablieren, die allen zugutekommen. Außerdem wird vorgeschlagen, die Regulierung und Aufsicht der globalen Finanzmärkte zu verbessern und Entwicklungsstaaten mehr Gewicht in internationalen Wirtschafts- und Finanzinstitutionen zu geben. Die 17 SDGs sollten hierbei so verstanden werden, dass sie Zielsetzungen geben, welche dann von den Staaten übernommen werden und an die jeweilige nationale Situation angepasst werden. Hierbei sind die Länder unterschiedlich ambitioniert mit ihren nationalen Zielen. Während manche Länder ambitionierte Pläne vorlegen um wirtschaftliche Ungleichheit als Teil von nachhaltiger Entwicklung zu bekämpfen, sind andere Staaten hier weniger ambitioniert. Bemängelt werden muss insbesondere, dass es keine verbindlichen Regelungen gibt, Staaten zu verpflichten diese Themen anzugehen. Die Europäische Union hat sich bereits zu nachhaltiger Entwicklung innerhalb ihrer Kompetenzbereiche ausgesprochen und plant hier auch konkrete Maßnahmen. 

Zahlreiche NGOs appellieren an die Industriestaaten, Schwellen- und Entwicklungsländer in ihren Bemühungen zu unterstützen, Ungleichheiten abzubauen und insbesondere die Staaten Ideell zu unterstützen, um eine nachhaltige Wirtschaft aufzubauen. Im Hinblick auf Ungleichheit von Vermögen und Einkommen innerhalb eines Staats werden von politischen Akteuren oder NGOs regelmäßig Initiativen in den Bereichen Erbschaftssteuer, Mindestlohn und Vermögenssteuer vorgeschlagen. Insbesondere aufgrund der steigenden wirtschaftlichen Ungleichheit im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und im Hinblick auf den sich verschlimmernden Klimawandel, muss die Staatengemeinschaft hier dringend handeln. 

Punkte zur Diskussion

  • Wie kann erreicht werden, dass Einkommen und Vermögen langfristig gleichmäßiger verteilt sind?
  • Wie können Industriestaaten, Entwicklungs- und Schwellenländer in ihren Bestrebungen unterstützen eine nachhaltige Wirtschaft aufzubauen?
  • Wie sind die Dimensionen der ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeit verknüpft und muss sich die eine der anderen unterordnen?
  • Haben derzeitige Industriestaaten eine besondere historische Verpflichtung Entwicklungs- und Schwellenländer in Themen der nachhaltigen Entwicklung und insbesondere bei der Bekämpfung von wirtschaftlicher Ungleichheit, zu unterstützen?
  • Welche Maßnahmen können NGOs oder supranationale Organisationen bei der Bekämpfung von wirtschaftlicher Ungleichheit ergreifen? 

Weiterführende Links

Quellen

 

Bei Fragen zum Text können Sie sich an Maximilian Ilzhöfer unter [email protected] wenden.

 

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