forum Schutz von Biosphären vor langfristiger Entwaldung

Einführung in das Thema

Einleitung

Als Biosphärengebiete, (vom griechischen „bios“ = „Leben“) werden Räume in der Natur bezeichnet, in denen das Leben und seine Umwelt in einer Wechselwirkung stehen. Bewaldete Biosphären sind beispielsweise die Regenwälder: Bewohnt werden sie von Menschen, Tieren und Pflanzen, die dort Schutz und Nahrung finden – aber auch die Wälder sind auf ihre Bewohner*innen angewiesen. Für mehr als 1,6 Milliarden Menschen weltweit stellen Wälder den Lebensraum dar.

Wälder haben mithin auch einen großen Einfluss auf die Wirtschaft. Sie sind aber vor allem auch in Bezug auf das Klima wichtig. Entwaldung zu verhindern trägt dazu bei, verschiedene Sustainable Development Goals (SDGs) zu erreichen, wie u.a. kein Hunger (Nr. 2), nachhaltige Entwicklung von Städten (Nr. 11), Klimaschutz (Nr. 13) und Leben an Land und unter Wasser (Nr. 14 und 15). Aber auch für die Einhaltung anderer internationaler Abkommen, wie der Aichi Biodiversity Targets und des Paris-Abkommens zum Klimawandel, ist die Verhinderung von Entwaldung wichtig.

Hintergrund und Grundsätzliches

Auf der Erde gibt es etwa 40 Millionen Quadratkilometer Wald, die ungefähr 30 % der Landoberfläche bedecken. Die Zerstörung des Waldes verändert jedoch nicht nur die geologische Beschaffenheit der Erde, vielmehr gefährdet sie auch die Arten, für die der Wald den Lebensraum darstellen. Dies sind etwa 80 % der an Land lebenden Pflanzen, Tiere und Insekten. Auch der Mensch profitiert vom Wald: Mehr als 50 000 Arzneien finden sich dort, etwa ein Drittel der Weltbevölkerung nutzt Holz als Energiequelle zum Kochen und Heizen und geschützte Waldgebiete dienen zur Trinkwasserversorgung für etwa ein Drittel der größten Städte weltweit. Doch nicht nur der Verlust von Lebensraum und Versorgungsmitteln ist Folge von Waldzerstörung: Wälder haben auch großen Einfluss auf das Klima und den Wasserkreislauf.

Auswirkungen auf das Klima hat der Wald, da in Biomasse und Böden CO2 gespeichert wird, das bei Abholzung freigesetzt wird. Die Dimension dieser Freisetzung wird auf der indonesischen Insel Sumatra deutlich: In den vergangenen 16 Jahren stieg dort die Tagestemperatur über 1,05 Grad Celsius. Das dies auf die starke Entwaldung zurückzuführen ist, wird unter anderem daran deutlich, dass dies die Auswirkungen des globalen Temperaturanstiegs deutlich übersteigt. Andere Auswirkungen auf das Klima umfassen beispielsweise die Windgeschwindigkeit in Bodennähe, die durch Wälder gebremst wird und mithin in Waldgebieten niedriger als beispielsweise in der Wüste oder Steppe ist.

Die Auswirkungen auf den Wasserkreislauf zeigen sich besonders im Amazonas Regenwald und dem dazugehörigen Fluss, der für rund 20 % des in das Meer mündenden Wassers verantwortlich ist. Die Bäume nehmen über ihre Wurzeln Wasser auf, geben es über ihre Blätter ab und es beginnt zu regnen. (Sog. kleiner Wasserkreislauf) Dabei kommt nur etwa ein Viertel dieses Regenwassers aus dem Ozean und der Rest aus dem kleinen Wasserkreislauf. Wird der Wald zerstört, wird es insgesamt trockener, auch der Fluss Amazonas führt weniger Wasser und der sog. große Wasserkreislauf wird gestört. Dies wiederum erhöht die Gefahr für Extremwetterphänomene wie Dürren oder Fluten, so fanden vier der sechs Überschwemmungen der letzten 115 Jahre in den letzten 10 Jahren statt.

Die Gründe für die Zerstörung von Wald gehen hauptsächlich auf menschliche Nutzung zurück. Von den Abholzungen weltweit lassen sich etwa 80 %, im Regenwald 70 % auf die Landwirtschaft zurückführen. Im Regenwald werden beispielsweise Palmöl, Fleisch, Soja, Holz und Papier produziert. Ein Großteil dieser Produkte werden nach Europa importiert und dort konsumiert. Anfangs werden neue Gebiete durch Straßenbau erschlossen, der zum einen direkt Wald zerstört und zum anderen weitere Waldflächen für Nutzung und Besiedelung erschließt, die daraufhin abgeholzt werden. Genutzt werden diese Flächen in der Regel zunächst als Acker- und dann als Weideland. Durch diese Nutzung verliert der Boden viele Mineralien und Nährstoffe, sodass eine Bewirtschaftung schließlich nicht mehr möglich ist, aber auch eine Aufforstung nicht in Frage kommt. Dies führt wiederum zur Erschließung von neuen Waldgebieten für die Landwirtschaft.

Neben der Landwirtschaft ist auch die direkte Verwendung des Holzes ein Wirtschaftsfaktor. Illegale Abholzung wird besonders durch organisiertes Verbrechen, Korruption und die fehlende Durchsetzung von Gesetzen oder unklare Nutzungsrechte gefördert und macht über 70 % des Einkommens von Holzexporten aus. Von menschlicher Nutzung ist dabei nicht nur der Regenwald bedroht, so hat in Europa die Zahl der abgeholzten Flächen zwischen 2016 und 2018 fast um die Hälfte zugenommen. Dies ist besonders auf den internationalen Handel und die vermehrte Nutzung von Bioenergie zurückzuführen. Daneben können Waldbrände, Schädlingsbefall und Klimawandel zu einer Zerstörung beitragen, so sind beispielsweise in Europa der Borkenkäfer und andere Insekten verstärkt für Schäden verantwortlich. Aktuell gehen jedes Jahr etwa sieben Millionen Hektar Wald verloren. Dies entspricht etwa der Größe Portugals und verursacht etwa ein Fünftel der Treibhausgasemissionen.

Aktuelles

Um dies zu vermeiden und den Wald zu schützen gibt es verschiedene Programme der Vereinten Nationen. Bereits seit 1976 gibt es UNESCO-Biosphärenreservate. Grundlage ist das Programm „Der Mensch und die Biosphäre“ (Man and the Biosphere Programme, MAB), das inzwischen 701 Regionen in 124 Staaten, darunter 21 grenzüberschreitende Reservate umfasst. Ziel sind der Schutz und die Erforschung der Biosphärenreservate mit einem interdisziplinären Ansatz. Die Arbeit in den Reservaten wird in periodischen Untersuchungen, spätestens alle 10 Jahre, untersucht und evaluiert. Nachdem in den vergangenen Jahrzehnten vor allem Erfahrung im Bereich nachhaltige Entwicklung und Umweltschutz gesammelt wurde, ist das aktuelle Ziel des Programms bis 2025 diese Erfahrungen auszubauen und besser zu kommunizieren sowie auszutauschen.

Ein Mechanismus zur Reduzierung von Emissionen aus Entwaldung und Schädigung von Wäldern, in den vor allem Industrieländer zunächst viel Hoffnung gesetzt haben, ist das Programm REDD+ (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation) zum ersten Mal 2005 diskutiert wurde. Dieses wurde unter der Klimarahmenkonvention (UN Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) entwickelt. Das Konzept basiert darauf, finanzschwachen Ländern Anreize zum Waldschutz zu bieten, indem ein Preis pro Tonne CO2, die durch Waldschutz nicht in die Atmosphäre gelangt, festgesetzt wird. Finanziert werden könnte das Projekt durch einen Kohlenstoffmarkt. Dabei würden Firmen, die CO2 ausstoßen wollen, Zertifikate kaufen, deren Erlöse an die Waldschutzprojekte ausgeschüttet werden. Dies kann jedoch nur bestehende Emissionen kompensieren, sie aber nicht verringern. Letzteres könnte etwa durch ergebnisbezogene Zahlungen von Industriestaaten an Entwicklungsländer gelingen. Eine solche langfristige Finanzierung ist jedoch unwahrscheinlich. Aktuell werden Modellprojekte mit gemischten Finanzierungsmodellen umgesetzt. Das Interesse und die Umsetzung von REDD+ stagnieren jedoch.

Das Thema Waldschutz hat jedoch in den vergangenen Jahren verstärkt Aufmerksamkeit erfahren. So gibt es unterschiedliche freiwillige Abkommen zum Waldschutz, wie die New Yorker Walddeklaration (New York Declaration on Forests, NYDF), die 2014 geschaffen wurde und von Regierungen, weltweit tätigen Firmen und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen unterstützt wird. Ziel des NYDF ist es, bis zum Jahr 2030 350 Millionen Hektar Wald wiederherzustellen. Dies entspricht fast der Fläche Indiens. Aktuell sieht es jedoch nicht so aus, als ob dieses Ziel erreicht werden wird.

Die Umsetzung der Ziele der NYDF wird auch durch die Globale Waldplattform (United Nations Form on Forests, UNFF) unterstützt. Diese wurde im Oktober 2000 durch die Resolution 2000/35 des Wirtschafts- und Sozialrats geschaffen, um Management, Schutz und nachhaltige Entwicklung von Wäldern zu fördern. 2017 wurde dort ein strategischer Plan für den Zeitraum bis 2030 geschaffen, der sich um sechs globale Ziele dreht (Global Forst Goals): Entwaldung verhindern; wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Nutzen des Waldes fördern; Schutzgebiete ausweiten; Finanzierungsmittel ausweiten; staatliche Rahmenprogramme fördern und Kooperation stärken.

Aktuelle Probleme und Lösungsmöglichkeiten

Laut einem Bericht des WWF war die Entwaldung im März diesen Jahres in knapp zwanzig Ländern mehr als doppelt so hoch als im Vergleichsmonat der Jahre zuvor.  Auch im Zuge der Corona-Pandemie sieht der WWF verstärkt Gefahren für die Wälder, da die staatliche Unterstützung des Waldschutzes zurückgegangen sei und vielen Waldflächen die Umwandlung in Nutzflächen drohe. Diese Entwicklung werde durch einen Einbruch auf dem internationalen Holzmarkt noch verstärkt. Der Handlungsbedarf ist also größer als jemals zuvor.

Die sechs Ziele für den Waldschutz weisen die Richtung für die Arbeit der kommenden Jahre. Diese Ziele sind jedoch nicht verbindlich, sodass zu klären ist, wie Anreize zum Waldschutz geschaffen werden können und wie diese Ziele nachhaltig umgesetzt werden können.

Zunächst könnte dabei das Bewusstsein für die Relevanz der Wälder weiter gestärkt werden. Dadurch könnte bei Verbraucher*innen die Nachfrage nach Erzeugnissen aus entwaldungsfreien Lieferketten steigen, was wiederum Druck auf die Firmen zur Herstellung solcher Produkte erzeugen würde. Doch dies wird kaum ausreichend sein, weshalb auch über restriktivere Regelungen nachgedacht werden muss. Das europäische Parlament beispielsweise diskutiert aktuell einen Entwurf für ein Lieferkettengesetz, dass entwaldungsfreie Lieferketten zum Standard machen würde, um die Konsument*innen von der Verantwortung zu entbinden, Nachhaltig zu konsumieren. Auch wenn die Vereinten Nationen keine Gesetze vorgeben können, können sie zumindest anregen, solche Gesetzesänderungen vorzunehmen. Daneben müssen allerdings auch die Waldschutzprogramme, die auf überstaatlicher Ebene bestehen, auf ihre Effektivität überprüft werden.

Ein Problem dieser aktuellen Waldschutzprogramme besteht darin, dass häufig das Konzept der (billigen) Aufforstung zum Waldschutz eingesetzt wird. Auch wenn neu gepflanzte Wälder bei der Bekämpfung des Klimawandels helfen und indirekt bestehende Wälder schützen können, können sie die ursprünglichen Wälder nicht ersetzen. Durch langsames Wachstum über lange Zeit speichern diese nicht nur mehr Kohlenstoff, sondern weisen eine hohe Artenvielfalt und Lebensräume auf, die in dieser Form durch Aufforstung nicht geschaffen werden. Mithin muss der Anreiz für den Schutz der bestehenden Wälder und die Wiederherstellung der Ökosysteme gestärkt werden.

Problematisch ist auch,  dass bestehende Regelungen zum Waldschutz oft nicht umgesetzt werden. Besonders in Ländern, die unter Korruption leiden, ist dies ein Problem. Gründe dafür sind unter anderem die mangelnde kurzfristige Attraktivität von nachhaltiger Waldwirtschaft.

Besonders gibt es Kritik an REDD +. Zum einen führte ein rein marktbasierter Ansatz nicht zu nachhaltigem Waldschutz. Zum anderen seien die Richtlinien nicht ausreichend, so gab es im Zusammenhang mit REDD+ Konflikte um Landrechte unter denen vor allem indigene Bevölkerungsgruppen leiden. Dabei ist die verstärkte Einbindung lokaler Bevölkerungsgruppen vielversprechend. Diese bewirtschaften den Wald in traditioneller Weise. Wenn ihre Landrechte respektiert werden und ihre Expertise bezüglich des lokalen Waldes beachtet wird, kann der Wald nachhaltig genutzt und Entwaldung verhindert werden. Denkbar ist es, die Rechte indigener Bevölkerungsgruppen durch Kooperation mit entsprechenden Stellen der Vereinten Nationen, wie dem Sonderberichterstatter für die Rechte indigener Völker, zu stärken.

Schließlich stellt sich die Frage, welche weiteren Möglichkeiten es gibt, um die globalen Waldschutzziele zu erreichen. Dabei sind auch kleinere Programme gefragt, so kann durch den Anschluss neuer Gebiete an Elektrizität der Bedarf an Feuerholz verringert werden. Gelingen kann der Schutz der Wälder dabei nur, wenn alle Akteure, darunter Staaten, Waldbesitzer*innen, die lokale Bevölkerung, die Privatwirtschaft und Nichtregierungsorganisationen zusammenwirken.

Punkte zur Diskussion

  • In Welchem Zustand ist der Wald in dem Staat, den Sie repräsentieren? Was unternimmt ihr Staat gegen Entwaldung und sind diese Bemühungen erfolgreich?
  • Welche weiteren Möglichkeiten zur Prävention von Waldvernichtung halten sie für sinnvoll?
  • Wie kann von der internationalen Staatengemeinschaft sichergestellt werden, dass Staaten gegen langfristige Entwaldung vorgehen? Welche Anreize können geschaffen werden? Wie kann nachhaltige Wiederaufforstung unterstützt und sichergestellt werden?
  • Wie kann bei den Verbraucher*innen ein Bewusstsein für die Relevanz von Entwaldungsfreien Lieferketten geschaffen werden? Wie können entwaldungsfreie Produkte gekennzeichnet werden, um die Konsument*innen beim entwaldungsfreien Konsum zu unterstützen?
  • Wie können nationale und internationale Gesetze für entwaldungsfreie Lieferketten und restriktivere Regelungen unterstützt werden? 

Links und Quellen

Bei Fragen zum Text können Sie sich an Barbara Hauer unter [email protected] wenden.

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