forum Überprüfung der Umsetzung von Resolution 2467 zu sexualisierter Kriegsgewalt

Einführung in das Thema

Einleitung 

Am 29. März 2019 berichtete der UN Generalsekretär Antonio Guterres in einer Sitzung des Sicherheitsrates, dass überall auf der Welt in und nach Konflikten sexualisierte Gewalt auftritt. Trotz vorheriger Bemühungen der Vereinten Nationen konnten bislang kaum Fortschritte in der Beseitigung sexueller Gewalt als Kriegsmittel verzeichnet werden. Am 23. April 2019 wurde im Sicherheitsrat deshalb die Resolution 2467 verabschiedet. In dieser Resolution verpflichten sich die Vereinten Nationen auf Maßnahmen zur Beendigung sexualisiserter Kriegsgewalt. Nun ist es an der Zeit, diese Ziele und den aktuellen Stand zu betrachten und die Fortschritte sowie den weiteren Handlungsbedarf  zu evaluieren.

Hintergrund und Grundsätzliches 

Frauen und Mädchen sind in bewaffneten Konflikten besonders gefährdet, erleiden überproportional Gewalt und sind mehrheitlich die Opfer von sexualisierten Übergriffen in Konflikt- und Postkonfliktsituationen. Aufgrund des Publikwerdens massiver sexueller Kriegsgewalt im ehemaligen Jugoslawien bei den Prozessen in Den Haag wurde sexuelle Kriegsgewalt vom Internationalen Strafgerichtshof als Kriegsverbrechen eingestuft und als Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt.

Laut des Europarates wurden im Bosnienkrieg (1992 bis 1995) mindestens 20.000 Frauen und Mädchen Opfer sexueller Kriegsgewalt. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch bezeichnet die Übergriffe als “Einzel-, Gruppen- und Dauervergewaltigungen”. Diese Übergriffe hatten zum Ziel, Frauen zu erniedrigen und “für die eigenen Männer unbrauchbar zu machen”. Die Täter waren meist serbische und bosnisch-serbische Soldaten, die muslimische Bosnierinnen vergewaltigten, damit diese serbische Kinder zeugten. 

Nach Bekanntwerden dieser Gräueltaten und der strafrechtlichen Einordnung sexueller Kriegsgewalt durch den internationalen Strafgerichtshof, setzen auch die Vereinten Nationen das Thema auf ihre Tagesordnung.

2009 setzte der damalige UN Generalsekretär Ban Ki-moon einen Sonderbeauftragten für sexualisierte Kriegsgewalt ein. Anlässlich des 10-jährigen Bestehens dieser Funktion, hielt der UN Generalsekretär im März 2019 einen Bericht im Sicherheitsrat, indem er auf die aktuelle Situation bezüglich dieses Themas einging. Darin erklärte er, dass in den letzten 10 Jahren ein Paradigmenwechsel stattgefunden habe. Zuvor wurde versucht, sexuelle Kriegsgewalt allein durch die Stärkung staatlicher Institutionen zu bekämpfen. Inzwischen hat die Staatengemeinschaft aber erkannt, dass sexuelle Kriegsgewalt nur beendet werden kann, wenn tiefer liegende Probleme angegangen werden: es braucht Geschlechtergerechtigkeit. Denn strukturelle Geschlechterungerechtigkeit und Diskriminierung sind die Hauptursache dafür, dass bewaffnete Konflikte Frauen und Mädchen stärker betreffen. 

In der Resolution 2467 benennt der Sicherheitsrat deshalb die Reduzierung von Geschlechterungerechtigkeiten und Diskriminierung als Maßnahme, um sexuelle Kriegsgewalt einzudämmen. Zudem fordert der UN-Sicherheitsrat alle an bewaffneten Konflikten beteiligten Parteien auf, sofort jede Handlung sexualisierter Gewalt einzustellen und „konkrete, fristgebundene Verpflichtungen zur Bekämpfung sexueller Gewalt einzugehen und umsetzen“. (Res. 2467)

Als weitere Maßnahme werden nationale Behörden aufgerufen, sexuelle Gewalthandlungen stärker zu ahnden und dazu, wo notwendig, neue Rechtsgrundlagen zu schaffen. 

Neben der Prävention von sexueller Kriegsgewalt wird in der Resolution auch dazu aufgerufen, Opfer nicht weiter zu stigmatisieren und ihnen endlich Hilfe zukommen zu lassen. Gesellschaften in Post-Konfliktsituationen sollen die Problematik nicht weiter verschweigen und die Opfer mundtot machen, sondern ihnen Raum geben und die Geschehnisse gemeinsam aufarbeiten. Zudem brauchen die Betroffenen medizinische und psychologische Unterstützung. 

Aktuelles 

Trotz aller Bemühungen der Vereinten Nationen ist sexuelle Kriegsgewalt nach wie vor ein globales Problem. Aktuell lässt sich sexualisierte Gewalt als Kriegsmittel in vielen bewaffneten Konflikten beobachten. 

In der Demokratischen Republik Kongo ist die Lage besonders dramatisch: Bewaffnete Milizen ziehen durch das Land und terrorisieren die Bevölkerung. Dabei wird sexuelle Gewalt als Machtdemonstration gegen über der Zivilbevölkerung genutzt. Da Frauen und Mädchen in der kongolesischen Gesellschaft einen niedrigen sozialen Status genießen, sind sie die häufigsten Opfer dieser Übergriffe, obwohl auch Männer und Jungen Opfer sexualisierter Gewalt werden.  In der kongolesischen Gesellschaft gelten Männer als stark und zuverlässig und verfügen über das Recht, sich Ehefrauen zu kaufen. Deshalb wird sexuelle Gewalt von den Milizen auch mit dem Ziel eingesetzt, die Männer zu demütigen, die “ihren Besitz nicht verteidigen können”. Aufgrund der Brutalität und Häufigkeit sexueller Gewalt in der DR Kongo, befasst sich der internationale Strafgerichtshof mit der Situation. 

In anderen bewaffneten Konflikten lässt sich ähnliches beobachten: der Islamische Staat machte vor wenigen Jahren Schlagzeilen mit seiner Grausamkeit gegen Zivilist*innen. In einem Bericht der Vereinten Nationen wird beschrieben, dass in Syrien und im Irak tausende Jesidinnen und Christinnen Opfer systematischer sexueller Gewalt durch den IS wurden.

Auch in Ägypten und im Sudan sind ähnliche Vorfälle zu beobachten, ebenso in Myanmar, wo Frauen des verfolgten Rohingya-Volkes geschändet und systematisch Opfer sexualisierter Gewalt werden. 

Als die Resolution 2467 im Sicherheitsrat verhandelt wurde, war die Diskussion sehr kontrovers. Während Deutschland vehement darauf pochte, verpflichtende Maßnahmen zu ergreifen, zeigten mit Russland, China und den USA drei Veto-Mächte, dass der Kampf gegen sexuelle Kriegsgewalt bei ihnen keine sicherheitspolitische Priorität genießt. Während Deutschland zum Beispiel darauf bestand, eine Stelle einzurichten, die sexuelle Kriegsgewalt unabhängig beobachtet, die Täter ermittelt und der Justiz zuführt, blockierten die anderen Staaten diesen Vorschlag.  

Auch die Forderung, Opfern von Vergewaltigungen umfängliche medizinische Versorgung zukommen zu lassen, wurde von den drei Veto-Mächten aus dem Resolutionsentwurf verhandelt. Die Sorge: Auch in Ländern ohne bewaffnete Konflikte könnten Opfer von Vergewaltigungen daraus das Recht auf umfassende Gesundheitsversorgung, bis hin zum Recht auf Abtreibungen, ablesen. 

Probleme und Lösungsansätze 

Das Hauptproblem bei der Bekämpfung sexueller Kriegsgewalt liegt in der Tatsache, dass sie häufig von Personen und Organisationen ausgeübt wird, die in Konflikt mit den staatlichen Organen liegen. Deshalb entziehen sie sich der staatlichen Gerichtsbarkeit, sofern es diese in den jeweiligen Regionen überhaupt gibt. Somit fehlt von den entsprechenden Konfliktparteien meist das Bekenntnis zu den Zielen der Resolution 2467 oder die Möglichkeit, diese umzusetzen. 

Ein möglicher Lösungsansatz hierfür wäre eine überstaatliche Beobachtungsstelle, die sexuelle Kriegsgewalt ermittelt und die Täter, wo vorhanden, einer nationalen oder internationalen Gerichtsbarkeit zuführt. In den Verhandlungen zur Resolution 2467 gab es hierfür keine Mehrheit. Je nach Verschärfung der Situation und wechselnder Besetzung im Sicherheitsrat können vielleicht perspektivisch ähnliche Konzepte entwickelt werden, die im Gremium mehrheitsfähig sind. 

Auch die medizinische Versorgung von Opfern sexueller Gewalt ist häufig problematisch, da in Situationen bewaffneter Konflikte in der Regel medizinische Grundversorgung nicht gewährleistet werden kann. Zudem werden die Opfer häufig auch noch in Post-Konfliktsituationen gesellschaftlich stigmatisiert, was sie davon abhält, sich medizinische und psychologische Hilfe zu suchen, selbst wenn sie in ihren Regionen vorhanden wäre. Hier Bedarf es internationaler Unterstützung, um diese medizinische Grundversorgung zu gewährleisten und gesellschaftliche Strukturen zu durchbrechen, die Frauen und Mädchen davon abhalten, sie in Anspruch zu nehmen. 

Darüber hinaus unterliegt die Resolution 2467 dem Problem, dass alle von den UN gefassten Beschlüssen innewohnt: sie sind immer nur so erfolgreich, wie die Mitgliedstaaten sie sein lassen. Die Unterzeichnung der Resolutionen geht nicht immer einher mit Veränderungen in nationaler Gesetzgebung. Deshalb muss überlegt werden, wie die Resolution konsequent und global Umsetzung finden kann. Mögliche Wege sind neben der regelmäßigen Überprüfung der Resolution zum Beispiel Sanktionen bei Nichtbefolgung. 

Ein weiterer Punkt, an dem die Thematik angegangen werden kann, ist die zugrundeliegende Ursache dafür, dass Frauen und Mädchen überproportional unter bewaffneten Konflikten leiden: die Geschlechterungerechtigkeit. Ohne diese Basis würde sexuelle Kriegsgewalt nicht als solch effizientes Mittel der Kriegsführung gelten. Hier muss grundlegend an der Gleichstellung der Geschlechter gearbeitet werden. Dieses große und schwierige Ziel lässt sich in konkrete Maßnahmen runterbrechen. Beispielsweise sind Frauen in Konfliktlösungsprozesses drastisch unterrepräsentiert oder gar nicht eingebunden. Wenn Frauen an Konfliktlösungen beteiligt werden, verschiebt sich der Fokus der Debatte. 

Noch in zu vielen Diskussionen um Konflikt- und Postkonfliktsituationen wird sexuelle Kriegsgewalt und ihre Langzeitfolgen für die Betroffenen und die Gesellschaft drastisch vernachlässigt oder bewusst ignoriert. Frauen in Konfliktlösungsprozessen würden dabei helfen, dieses dramatische Problem im Fokus zu halten und die Betroffenen nicht aus den Augen zu verlieren. 

Auch ein höherer Frauenanteil in den nationalen Militärstrukturen sowie den Einsatztruppen der UN wären ein Weg hin zu  weniger sexuealisierter Kriegsgewalt. Vor wenigen Jahren wurde ein aufsehenerregender Bericht veröffentlicht, der zeigte, dass in Gebieten, in denen Blauhelmtruppen eingesetzt werden, Prostitution rasant ansteigt. In dem Bericht wurde dargestellt, dass die Soldaten Frauen und Mädchen im Tausch gegen Nahrungsmittel und Medikamente zu sexuellen Handlungen nötigen. Ein dazu diskutierter Lösungsansatz ist die Steigerung des Frauenanteils in Blauhelmtruppen. Die Hoffnung liegt darin, dass ein höherer Frauenanteil die sexistischen und maskulinen Strukturen durchbrechen könnte, die für diese sexuelle Ausbeutung verantwortlich gemacht wird. 

Diese konkreten Probleme sind mit präzisen Maßnahmen anzugehen. Gleichzeitig muss sich aber auch ein globaler Gesinnungswandel vollziehen. Wenn Frauen in allen Gesellschaften gleichberechtigt sind, reduziert sich das Problem sexualisierter Kriegsgewalt. Darüber hinaus muss natürlich das Ziel sein, alle bewaffneten Konflikte zu beenden, staatliche Strukturen zu stärken und diplomatische Lösungen zu finden, die Konfliktpotential beenden, bevor Kriege entstehen. Bis dahin liegt es am Sicherheitsrat und den UN Mitgliedsstaaten, Übergangslösungen zu finden, die Frauen, Mädchen und Jungen vor sexueller Kriegsgewalt schützen. 

Punkte zur Diskussion

  • Wie können strukturelle Grundlagen sexualisierter Kriegsgewalt wie Geschlechterungerechtigkeit und Diskriminierung angegangen werden? Welche nationalen und internationalen Maßnahmen können hierzu ergriffen werden?
  • Wie können staatliche Strukturen in bewaffneten Konflikten gestärkt werden, die sexualisierte Gewalt vorbeugen und ahnden sollen? Kann es hierzu eine internationale Unterstützung, beispielsweise in einer unabhängigen Beobachtungsstelle geben?
  • Wie kann die Umsetzung der Resolution sichergestellt werden? Wie können Staaten bei der Umsetzung unterstützt und bei bewussten Verstößen unter Druck gesetzt werden? Sind Sanktionen bei Nichtbefolgung denkbar?
  • Wie kann sichergestellt werden, dass Frauen an Konfliktlösungsprozessen gleichberechtigt beteiligt werden? Ist beispielsweise ein höherer Frauenanteil in nationalen Militärstrukturen ein Lösungsweg? Sollen die UN eine Geschlechterquote in Blauhelmtruppen einführen?
  • Wie kann medizinische und psychologische Unterstützung für Opfer sexueller Kriegsgewalt flächendeckend bereitgestellt werden? Sind die Bereitstellung finanzieller und personeller Kapazitäten ein ausreichender Lösungsweg? Und wie können Gesellschaften in Post-Konfliktsituationen dabei unterstützt werden, persönliche und kollektive Traumata aufzuarbeiten?

Wichtige Dokumente

Quellen

Bei Fragen zum Text können Sie sich an Anaick Geißel unter a.geiß[email protected] wenden.

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