forum Stärkung der Partizipation von Jugendlichen und jungen Erwachsenen an politischen Prozessen

Einführung in das Thema

Einleitung

Ob #FreeYouth, #FridaysForFuture, #endSARS, #blacklivesmatter oder auch #youngconservatives - befeuert durch soziale Medien haben wir ein neues Zeitalter von Jugendaktivismus erreicht, nicht nur im Internet, sondern auch auf den Straßen. Dies steht im starken Kontrast zu niedriger Wahlbeteiligung der gleichen Altersgruppe in vielen Ländern, dem Durchschnittsalter der meisten Abgeordneten und der geringen gesamtgesellschaftlichen Aufmerksamkeit gegenüber politischen Einrichtungen wie Jugendparlamenten. Konflikte zwischen den Generationen und der Ausschluss von Jugendlichen bei wichtigen politischen Entscheidungen sind so alt wie das Konzept von “Politik” selbst. Genauso alt ist aber auch die Innovation, der Gestaltungswille und die Kreativität, die junge Menschen einbringen können. Während die Wirtschaft und Wissenschaft bereits flächendeckend davon profitieren, kann man nicht unbedingt das Gleiche über internationale Politik behaupten. Was kann die Weltgemeinschaft tun, um dies zu ändern? Wie kann sichergestellt werden, dass das Recht auf Mitbestimmung in allen Altersgruppen umgesetzt wird?

Hintergrund und Grundsätzliches

Historisch gesehen spielten Jugendbewegungen oder Jugendliche innerhalb umfangreicherer Bewegungen häufig eine große Rolle bei politischen Umbrüchen. Oftmals eilte ihnen dabei kein besonders guter Ruf voraus. Sie wurden von Regierungen als chaotisch, unverschämt und realitätsfern, teilweise sogar gewalttätig abgestempelt. Das hat die Vereinten Nationen (VN) jedoch nicht davon abgeschreckt, Jugendpartizipation eine besondere Rolle in der internationalen Entwicklung zuzuschreiben. Mit der Resolution A/RES/50/81 der Generalversammlung, beschlossen im März 1981, wurde bei den Vereinten Nationen der Grundstein für das Weltaktionsprogramm für die Jugend gelegt, das zum Ziel hat, die Lebenssituation von Jugendlichen weltweit zu verbessern. Neben dem Zugang zu Bildung stehen hier außerdem Jugendarbeitslosigkeit, Hunger und Armut, Gesundheit, umweltliche Aspekte und junge Frauen und Mädchen im Fokus - insgesamt beinhaltet das Programm 15 Kernpunkte. 

Gleichzeitig wird aber bereits explizit davon geredet, dass Partizipation von Jugendlichen in vollem Umfang gefördert werden solle, besonders bezogen auf die Globalisierung, intergenerationelle Konflikte und den Kampf gegen HIV und AIDS. Um dies umzusetzen, drängten die VN die einzelnen Mitgliedsstaaten dazu, eine eigene Agenda für die Mitbeteiligung von Jugendlichen aufzusetzen, die mit dem Grundgerüst der Resolution in Einklang steht. Um diese umzusetzen, soll eine enge Zusammenarbeit von entsprechenden Ministerien, Nichtregierungsorganisationen und dem privaten Sektor angestrebt werden.

2011 hat die Generalversammlung die darauf aufbauende Resolution A/RES/65/312 verabschiedet, die explizit auf neue Schwerpunkte eingegangen ist. Während die Kooperation zwischen Jugendlichen in urbanen und ländlichen Gebieten bereits in den 1980ern gefördert werden sollte, wurde Anfang der 2010er klar, dass es mehr gesellschaftliche Dimensionen gibt, in denen für Gleichberechtigung und Empowerment gesorgt werden muss. Dazu gehören die Rechte und Beteiligung von indigenen, behinderten, staatenlosen, migrantischen, geflüchteten und anderen Minderheiten angehörenden Jugendlichen. Ihre Einbeziehung war besonders relevant für die Millenniumsziele: Acht Ziele für die Weltgemeinschaft, die 2000 für die nächsten 15 Jahre beschlossen wurden. Teil der Millenniumsziele waren unter anderem “Grundschulbildung für alle”, “Bekämpfung von HIV und AIDS”, sowie “ökologische Nachhaltigkeit.” Gerade im Bereich der Bildung und Alphabetisierung hat sich viel getan - so können weltweit inzwischen mehr als 90% der 15- bis 24-jährigen lesen und schreiben, besonders viel Entwicklung gab es bei Mädchen und jungen Frauen. Während HIV am Anfang der 2000er Jahre für die meisten Menschen global noch ein Todesurteil war, haben inzwischen ca. 65% der HIV-positiven Personen Zugang zu antiviraler Therapie, die ihre Lebenserwartung drastisch erhöht. Von 2000 bis 2018 sind die jährlichen Neuinfektionen um mehr als die Hälfte zurückgegangen.

Doch diese Fortschritte führen nicht automatisch dazu, dass Jugendliche mehr Mitbestimmungsrechte oder Beteiligungsmöglichkeiten in der Politik haben. Lesen und schreiben zu können, vor infektiösen Krankheiten geschützt zu werden und genug Essen zu haben sind zwar alles Voraussetzungen, für rege Mitarbeit muss allerdings weitere Infrastruktur vorhanden sein.

Aktuelles

Nachdem die Millenniumsziele 2015 ausgelaufen sind, haben die VN, angepasst an die aktuelle Lage, einen neuen Katalog mit diversen Zielen aufgestellt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung - auch bekannt als SDGS (Sustainable Development Goals). Einige der Ziele sind Fortsetzungen der Millenniumsziele, die ebenso relevant für Jugendliche sind. Was sich allerdings verändert hat, ist ein wesentlich größerer Fokus auf Nachhaltigkeit. Saubere Energie, Massnahmen für den Klimaschutz und nachhaltiger Konsum und Produktion sind nur drei der insgesamt 17 Ziele. 

In diesem Kontext hat Generalsekretär António Guterres den Jugendbeauftragten der VN damit beauftragt, eine Strategie zu entwickeln, welche der Beteiligung Jugendlicher an internationaler Politik und dem Umsetzen der nachhaltigen Entwicklungsziele dienen soll: Youth 2030. 

Die Abteilung der VN für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten hat außerdem die Rolle der Jugend in Bezug auf die Entwicklungsziele in einem Report analysiert und legt dar, dass die globale Jugend eine zentrale Position in der Erfüllung dieser Ziele einnehmen werden. Die Basis für gute Jugendpolitik, ist laut dem Report die aktive Teilnahme von Jugendlichen an der Ausarbeitung dieser Projekte und Richtlinien. Ferner wird festgestellt, dass Jugendliche der Motor sind, der durch Innovation und Kreativität dazu in der Lage ist, die nachhaltigen Entwicklungsziele auf einer lokalen Ebene umzusetzen. Es sei außerdem an der Zeit, Jugendarbeit besser mit anderen politischen Zielen und Projekten zu verknüpfen - nicht nur, aber auch, wenn es um sie selbst geht. Momentan scheinen junge Menschen isoliert von den meisten Regierungen zu sein, was die Effektivität von politischen Vorhaben senken kann. Wer Richtlinien für Jugendarbeit ohne Jugendliche mache, dem fehle die Perspektive, so der Bericht. Ein weiterer Punkt, den ebenfalls viele politisch aktive Jugendliche bemängeln, ist das Fehlen von Verantwortlichkeit der Politik gegenüber der Jugend. In keiner anderen Bewegung ist dies so deutlich wie bei “Fridays for Future”, deren grundlegendes Ziel es ist, dass nationale Regierungen Verantwortung für die Zukunft übernehmen und eine nachhaltige Klimapolitik verfolgen.

Der Großteil politischer Arbeit Jugendlicher im Bezug auf nachhaltige Entwicklung wird momentan durch Basisinitiativen (“grass-routes initiative”) lokal und national, Datensammlung, Sensibilisierungskampagnen, Überwachung von bereits bestehenden Initiativen und Schattenberichterstattung geleistet. Jugendliche bilden sich gegenseitig weiter und bauen ihre eigenen Organisationen auf. Jedoch leiden diese häufig unter  einer geringen Bekanntheit in der Öffentlichkeit und fehlenden finanziellen Ressourcen sowie daran, dass sie von Regierungen und Parlamenten wenig Aufmerksamkeit erhalten.

Jugendparlamente, die unter anderem die Beteiligung von jungen Menschen an dem Erstellen von Richtlinien und Projekten garantieren sollen, existieren nicht in jedem Staat. Wenn sie allerdings vorhanden sind, stellen sie eine unabhängige, demokratische Stimme für das nationale Parlament dar. 

Probleme und Lösungsansätze

In den letzten drei Jahrzehnten fand bereits viel Entwicklung statt, um die aktive Teilhabe von jungen Menschen in der Politik zu fördern. Dennoch steht die Weltgemeinschaft noch vor einigen großen Problemen, die die intergenerationale Zusammenarbeit behindern.

Eines der Themen, die in den letzten Jahren besonders relevant wurde, ist der Zugang zum Internet. Das Internet bietet Zugang zu Wissen, personellen und finanziellen Ressourcen und ist die schnellste Route, bei einer lokale Kampagne oder Organisation für nationale und internationale Aufmerksamkeit zu sorgen. 

Laut einem Bericht der Internationalen Fernmeldeunion (IFU) von 2017 fehlt etwa 30% der Jugendlichen (15 bis 24 Jahre alt) ein Internetzugang. Eine große Herausforderung hierbei ist die “Digital Gender Gap”, denn es benutzen weltweit 12% weniger Frauen als Männer das Internet (Daten für andere Geschlechter nicht erhoben) und die Lücke ist größer, je schlechter die rechtliche und gesellschaftliche Stellung von Frauen und Mädchen in dem entsprechenden Land ist. 

Diese Diskrepanz hindert junge Frauen und Mädchen daran, sich zu organisieren, auf ihre Situation aufmerksam zu machen und Unterstützung bei dem Kampf um ihre Rechte zu erhalten. In Subsahara-Afrika, der Region mit dem geringsten Anteil an Internetnutzer*innen, hat sich die allgemeine Situation in den letzten Jahren zwar verbessert, die digitale Geschlechter-Lücke (gender gap) ist allerdings größer geworden. In Anbetracht der Tatsache, dass der Menschenrechtsrat bereits 2011 in der Resolution A/HRC/17/27 anerkannt hat, dass das Internet inzwischen eins der wichtigsten Medien geworden ist, um das Menschenrecht auf eine eigene Meinung und freie Entfaltung ausleben zu können, bedarf es hier an weiterer Arbeit. 

Die IFU sieht einen engen Zusammenhang zwischen universellem Internetzugang und der Erfüllung der nachhaltigen Entwicklungsziele. Um diesen Zugang zu ermöglichen, sei ein Fokus auf sekundäre Schulbildung, vor allem für Mädchen, unerlässlich. Daneben könnten allerdings auch Bibliotheken, Gemeinschaftszentren und Ausbildungsstätten mobilisiert werden, um digitale Kompetenzen zu vermitteln.

Ein weiterer wichtiger Punkt stellt die fragile demokratische Lage vieler Staaten dar, die Teilhabe behindert, obwohl gerade diese für eine Stabilisierung der Demokratie notwendig ist. Laut der “Globalen Lage der Demokratie 2019”, einem Bericht des Internationalen Instituts für Demokratie und Wahlhilfe, lebt inzwischen etwa die Hälfte der Weltbevölkerung in einer Demokratie, ein Zuwachs von 21% seit 1975. Doch obwohl die Anzahl der Demokratien weltweit gestiegen ist, sinkt die Qualität der existierenden Demokratien. Das betrifft nicht nur junge Demokratien, die jünger als 45 Jahren sind, sondern auch viele ältere. Teil dieser Rückentwicklung in Qualität geht auch auf den Rückgang von sozialer Teilhabe zurück, die zentral für gesunde Demokratien ist und zu der auch Jugendteilhabe gehört. Gleichzeitig sorgt verringerter Zugang zu politischer Teilhabe allerdings für mehr Politikverdrossenheit und -apathie, auch unter jungen Menschen.

Wie bei anderen Entwicklungsanstrengungen gibt es in der Förderung von jugendlicher Teilhabe ebenfalls das Problem unzureichender Finanzierung, um die Jugend aktiver an Politik teilnehmen zu lassen. Eine mögliche Lösung hierfür könnte die stärkere Einbeziehung unabhängiger Jugend-geführter Organisationen durch die Regierungen und Parlamente sein, ob bei der Entwicklung von Taktiken und Richtlinien für zukünftige Projekte mit Jugendfokus oder bei der Budgetplanung. Diese Organisationen können die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Jugendlichen angemessen vermitteln und damit sicherstellen, dass die Ressourcen bei dementsprechenden politischen Maßnahmen effektiv verwendet werden. Dieser Ansatz wird als partizipatorische Haushaltsplanung bezeichnet, von der sowohl die Organisationen als auch die entsprechenden Regierungen profitieren können.

Punkte zur Diskussion

  • Es gibt viele verbesserungswürdige Bereiche und die folgenden Fragen können dabei helfen, Lösungsstrategien zu entwickeln.
  • Welche Hürden gibt es für die politische Teilhabe von Jugendlichen und welche Programme existieren bereits auf einer nationalen Ebene?
  • Wie können diese Hürden abgebaut werden und welche Rolle können dabei die Vereinten Nationen einnehmen?
  • Wie können Staaten dazu bewegt werden, aktiver mit unabhängigen Jugendorganisationen zusammenzuarbeiten?
  • Welche Richtlinien sollte es für diese Zusammenarbeit geben?
  • Wie können Jugendorganisationen darin unterstützt werden, auch bei enger Zusammenarbeit mit der Regierung weiterhin unabhängig und demokratisch organisiert zu bleiben?
  • Wie kann garantiert werden, dass auch marginalisierten Jugendlichen Teilhabe an politischen Prozessen ermöglicht wird?

Erläuterungen

Resolution: Beschlussfassungen der Vereinten Nationen

Empowerment: Selbstermächtigung in einem gesellschaftlichen/politischen Kontext

Schattenbericht: Bericht einer unabhängigen Organisation über die Umsetzung von Richtlinien und Konventionen staatlicher Organe

Basisinitiative: lokale Kampagne oder Projekt, das ohne finanzielle/strukturelle Hilfe von Regierung oder Großsponsoren durchgeführt wird

Internationale Fernmeldeunion: Sonderorganisation der Vereinten Nationen, die für Telekommunikation zuständig ist

weiterführende Links/Ratschläge für die Recherche

Informationen zu Jugendorganisationen in einzelnen Staaten findet man im Internet sehr schnell. Die Situation in den Staaten ist unterschiedlich und sollte deshalb einzeln recherchiert werden.

Quellen

Bei Fragen zum Text können Sie sich an Mona Bickel unter [email protected] wenden.

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