forum Verbesserung der Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen

Einführung in das Thema

Fragen zu diesem Thema können Sie an Finn Petersen ([email protected]) richten.

Hier gibt es das Handbuch zum Gremium

Einleitung

Bereits in der ersten Fassung der Charta der Vereinten Nationen (UN) wurde die Bedeutung weiterer internationale Organisationen neben der UN herausgehoben. In Artikel 52 der Charta werden Mitgliedstaaten ermutigt, internationale Organisationen zu gründen, um regionale Streitigkeiten beizulegen. Mit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (Organisation for Security and Co-operation in Europe, OSZE) hat sich eine Organisation gebildet, welche auf einem der zentralen Schauplätze des Ost-West-Konflikts die unterschiedlichen Interessen von verschiedenen Akteur*innen friedlich vereinen und so die Sicherheit und die Zusammenarbeit in Europa stärken will. Neben dem Bekenntnis zur Zusammenarbeit in der Charta werden durch die OSZE und die UN auch viele verschiedene Strukturen und Mechanismen genutzt und gemeinsame Strategien verfolgt, um effektiv auf aktuelle Herausforderungen zu reagieren. Mit einer sich verändernden geopolitischen Situation in Europa muss sich die OSZE neuen Herausforderungen stellen und wichtige Grundsteine für den Frieden in Europa legen. An dieser Stelle stellt sich die Frage, in welcher Art und Weise die Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen geschehen soll.

Hintergrund

Geschichte
Mit der Schlussakte von Helsinki von 1975 wurde der Grundstein für die OSZE gelegt. Die OSZE verfolgt nach ihren aktuellen Maßgaben Ziele, welche sich in drei Dimensionen aufteilen lassen:
Politisch-militärische Dimension: Hierbei wurden zehn Prinzipien festgelegt, nach welchen die Teilnehmerstaaten ihre künftigen Beziehungen gestalten wollen.
Wirtschaftliche und ökologische Dimension: Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Technik und Umwelt. Menschliche Dimension: Neben dem sensiblen Thema der Menschenrechte wurden auch Ziele zur Zusammenarbeit im humanitären und kulturellen Bereich formuliert.
In Artikel 52 der Charta der UN wird beschrieben, dass regionale Abmachungen und Einrichtungen geeignet sein können, Streitigkeiten friedlich beizulegen. Hierbei sind alle Organisationen gemeint, welche dem Sinne der Charta nicht entgegenstehen. Auch wird beschrieben, dass die Vereinten Nationen mit eben solchen regionalen Organisationen zusammenarbeiten. [1]
Durch die geopolitischen Veränderungen nach 1989 sehen sich die UN vor einer großen Zahl von Herausforderungen für die Stabilität und die Sicherheit in vielen Regionen. Durch diese Entwicklungen wurden die Kooperationen und regionalen Organisationen zunehmend wichtiger. Mit dem Ende des Kalten Krieges endete in Europa die klare Eingrenzung von Ost und West und die beiden Seiten näherten sich weiter an. Durch diese Gegebenheiten entstanden viele verschiedene Strömungen, welche verschiedene politischen Interessen hatten und einer entsprechenden Plattform bedurften. Das Kapitel VIII der Charta der UN gewann so in diesen Jahren an Bedeutung hinzu und die Vereinten Nationen nahmen sich diesem Thema vermehrt an. In der Folge berief man sich in verschiedenen Resolutionen und Erklärungen immer wieder auf den entsprechenden Artikel.
Die intensivierte Zusammenarbeit von OSZE und den UN war so in den Konflikten auf dem Westbalkan deutlich und auch in dem Friedensabkommen von Dayton erkennbar, in welchem die OSZE-Beobachtermission einen eigenständigen und integralen Bestandteil der UN-Mission (UNMIK) ausmachte. Die Folgen der Zusammenarbeit wirken bis heute nach und z.B. der*die Leiter*in der OSZE-Mission wird von eben dieser benannt und durch den*die Generalsekretär*in der UN schriftlich bestätigt.
Die Resolution 1631 (2005) des UN-Sicherheitsrats bekräftigt den Willen der UN, die Zusammenarbeit zu regionalen Organisationen zu stärken. In der Folge verabschiedete der ständige Rat der OSZE in 2006 eine Erklärung, enger mit den Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten. [2]

Struktur
Die OSZE und die Vereinten Nationen halten sowohl auf politischer Ebene als auch auf Expert*innenebene einen ständigen Dialog ab. Hierbei werden Informationen ausgetauscht und beschlossene Strategien abgestimmt. Dies betrifft in erster Linie regionale Herausforderungen (Nichtweiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen, Terrorismus, illegaler Waffenhandel, organisiertes Verbrechen, Umweltzerstörung u.ä.) sowie Konflikte, welche globale Auswirkungen haben können und das Zusammenwirken unterschiedlicher Akteur*innen benötigen. Für Stabilisierung und die Stärkung der Sicherheit im OSZE-Raum und dem umliegenden Gebiet wirkt das OSZE-Sekretariat mit den verschiedenen Organen der UN zusammen.
Zum einen unterstützt die OSZE von der UN eingeleitete Prozesse, indem sie die Umsetzung von Resolutionen des UN-Sicherheitsrates und UN-Konventionen in OSZE-Mitgliedsstaaten fördert. Beispielhaft hierfür sind die Resolutionen 1540 (Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen) und 1325 (Frauen, Frieden und Sicherheit) des UN-Sicherheitsrats und die Aarhus-Konvention. Für diesen Zweck arbeiten die beiden Organisationen in verschiedenen weiteren Organisationsformen zusammen. Mit UN Women kooperiert die OSZE beispielsweise als herausgehobene zwischenstaatliche Organisation. Hierbei sind die beiden nicht gleichberechtigte Partner*innen, nutzen aber gemeinsame Vorteile. Es gibt verschiedene weitere Beispiele, in denen die UN und die OSZE zusammenarbeiten und Synergien nutzen. Hier kann man besonders die UN-Mission „Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan“ (UNAMA) und die UN-Initiative „Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung“ (UNODC) nennen. Besonders in den Langzeitkonflikten wird die Zusammenarbeit von verschiedenen zwischenstaatlichen Akteur*innen sichtbar. In den Genfer Gesprächen zum Georgien-Krieg von 2008 übernahmen UN, EU und OSZE gemeinsam den Vorsitz.
Neben diesen Bereichen der Zusammenarbeit gibt es verschiedene Plattformen, die genutzt werden, um die Zusammenarbeit zu stärken. So spricht der OSZE-Präsident regelmäßig vor dem UN-Sicherheitsrat zu dem Thema der Kooperation und Vertreter*innen nehmen gelegentlich an Debatten des UN-Sicherheitsrats teil.
Insgesamt arbeiten beide Organisationen auf verschiedenen Ebenen zusammen, stimmen sich ab und nutzen Synergien. Einige Verbesserungen wären möglich, sodass gemeinsame Initiativen effektiver umgesetzt werden können und Entscheidungsprozesse effektiver gestaltet werden können. Durch einen verbesserten Informationsaustausch könnten sowohl monetäre Mittel eingespart werden als auch die Qualität der Informationen verbessert werden. Durch verbesserte Zusammenarbeit kann ebenfalls die Fokussierung einiger Organisationsteile vorangetrieben werden und die Produktivität gesteigert werden, da parallele Prozesse eingespart werden. Ebenfalls würde die politische Initiativkraft beider Organisation durch eine bessere Vernetzung gesteigert werden.

Arten der Zusammenarbeit
Es finden jährlich sowie konfliktbezogen Treffen der Spitzen der UN, der EU und der OSZE statt. Neben diesen Treffen erstatten regionale Koordinator*innen der OSZE und der Generalsekretär jährlich Bericht gegenüber dem Sicherheitsrat der UN. Darüber hinaus hat die OSZE Vertreter*innen in vielen UN-Organisationen und den Beobachterstatus in der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Auch bei Veranstaltungen der OSZE finden thematisch regelmäßig Vertreter*innen der UN Gehör. Zudem findet ein jährliches Arbeitstreffen von Personal der beiden Organisationen statt.
Diese Formate ermöglichen es, einen dauerhaften Informationsaustausch aufrecht zu erhalten und auf der operativen Seite zusammenzuarbeiten, aber nicht angepasst auf Krisen schnell und effektiv zu reagieren. [3]

Aktuelles

Ukraine-Krise
Mit der Ukraine-Krise erlebte die OSZE eine neue Herausforderung im Umgang mit Problemen im europäischen Raum. Die verschiedenen Instrumente der Krisenprävention und der Konfliktlösung wurden nach Angaben des damaligen Generalsekretärs Lamberto Zannier voll ausgeschöpft. Dies beinhaltete diplomatische Gespräche verschiedener Ebenen und multilaterale Dialoge, verschiedene Projekte und vertrauensbildende Maßnahmen im Sinne des Wiener Dokuments der OSZE von 2011 sowie eine Beobachtermission zur Sicherheitslage in der Ukraine. In Zusammenarbeit mit regionalen und lokalen Akteur*innen sollte diese Beobachtermission unvoreingenommene Einschätzungen liefern und Informationen sammeln. Trotz des einstimmigen Beschlusses der OSZE wurde die Arbeit aber an verschiedenen Stellen nicht immer ermöglicht. So wurden die OSZE-Beobachter*innen an der Wahlbeobachtung auf der Krim zum Unabhängigkeitsreferendum gehindert. Auf Grund ähnlicher struktureller Gegebenheiten war es sowohl der UN (Russland als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat) und der OSZE (Einstimmigkeit der Mitglieder) nicht möglich, alle angestrebten Ziele der Beobachtermission umzusetzen.

Erweiterung der Kompetenzen
Mit der Charta von Paris (1990) wurde der Wirkungsradius der OSZE noch einmal ausgeweitet. Diese Ausweitung und die schon in Helsinki definierten Ziele umfassen ebenfalls die wirtschaftliche und ökologische sowie die menschliche Dimension. In der Arbeit der OSZE wird ein großer Fokus auf die politisch-militärische Dimension gelegt und auch Menschenrechtsfragen in Konfliktregionen spielen eine wichtige Rolle. Hingegen wird der wirtschaftlich-ökologischen Dimension eher eine untergeordnete Rolle zugeordnet. Hier lassen die Jahresberichte der OSZE häufig offen, wie weit die Tätigkeit in dieser Dimension intensiviert wurde. Mit dem Erstarken der national orientierten Politik in Europa und dem zunehmenden Fokus auf sozialen und ökologischen Fragen behandeln die einzelnen Staaten sowie die UN zunehmend die von der OSZE eher vernachlässigten Themen.

Probleme und Lösungsansätze

Arten der Zusammenarbeit
Häufig lautet der Vorwurf: Die Bedeutung schwand in den vergangenen Jahrzehnten und andere Akteur*innen haben viele Themenbereiche für sich entdeckt. Die OSZE ist ein Staatenbündnis zu Friedenssicherung und grenzt sich hier klar von anderen Organisationen in der Region ab. Trotzdem werden zentrale Bereich der OSZE von anderen Akteur*innen schneller und effektiver verfolgt. So schaffen es z.B. die UN sowie die EU und die NATO, welche über die letzten Jahre selber in die Kritik geraten sind, deutlich ambitioniertere Ziele zu setzen und diese zu erfüllen. Für viele Tätigkeitsfelder verliert so die OSZE Kompetenzen oder schafft es an dieser Stelle nicht, eine wichtiger Akteurin zu werden. Für die Mitglieder des Staatenbündnisses ist es nicht interessant, in verschiedenen Formaten die gleichen Themen zu diskutieren und abzustimmen. [4] Die Vereinten Nationen und die OSZE arbeiten vor allem auf informationstechnischer und operativer Seite zusammen. Da einige Formate bereits jetzt große Probleme aufweisen und der Lösung mancher Probleme nicht gewachsen sind, muss die Art der Zusammenarbeit, die Aufgabenteilung und die Synergieeffekte einer solchen Zusammenarbeit überdacht werden. Besonders die UN fokussieren sich in sicherheitspolitschen Belangen auf die Position von Staaten und deren Einfluss, sodass nicht-staatliche politische Gruppierungen häufig wenig Gehör finden und so die Position der Staaten überrepräsentiert ist und ein Format auf Augenhöhe unmöglich macht.
Zur Verbesserung der Zusammenarbeit sind beispielsweise die folgenden Maßnahmen in Erwägung zu ziehen:

  • Erweiterter Beobachterstatus bei den UN: Die Europäische Union hat seit 2011 einen erweiterten Beobachterstatus in der Generalversammlung, welcher dieser mehr Rechte in den Vorgängen der UN einräumt.
  • Bildung gemeinsamer Strukturen: Die OSZE und die UN haben jeweils komplexe organisatorische Strukturen. Bisher wird zwischen beiden Organisationsstrukturen nur ein reger Informationsaustausch durchgeführt. In gemeinsamen Einsatzgebieten wäre es daher möglich, die Strukturen zusammenzufassen und Synergieeffekte zu nutzen.
  • Fallbezogene Zusammenarbeit statt feste Foren: Auch wäre es möglich, die starren Organisationsformen aufzulösen und einzelne problembezogene Formate zu schaffen.
  • Neue Aufgaben der OSZE: In welcher Art und Weise kann eine zukünftige Zusammenarbeit in den „neueren“ Aufgaben der OSZE gestaltet werden?

Nachhaltige Entwicklung
Mit den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung hat sich die UN ein ambitioniertes Ziel zur Lösung vieler zentraler Fragen gesteckt. Da die OSZE für sich auch die Bereiche der wirtschaftlichen und ökologischen Dimension sowie der menschlichen Dimension proklamiert, wäre an dieser Stelle die Möglichkeit gegeben, die Zusammenarbeit mit den UN zu intensivieren und die Stärken des regionalen Ansatzes zu nutzen, um angepasste Lösungen über die Grenzen der EU hinweg zu finden. Die OSZE heben die Ergebnisse des Burdtland-Reports [5] hervor und setzten sich so intensiv mit den SDGs auseinander. [6]

Auseinanderdriften von Ost und West
Die OSZE dokumentierte in der Charta von Paris 1990 das Ende des Ost-West-Konflikts und gründet auf der übergreifenden Arbeit zwischen vielen verschiedenen Ländern ihren Kern. Mit den Spannungen in der Ukraine und Konflikten in aller Welt geht die Annäherung zwischen Ost und West nicht weiter. Nach dem Unabhängigkeitsreferendum der Krim und dem umstrittenen Beitritt dieser zu Russland taten sich neue Gräben zwischen Russland und der EU mit den USA und Kanada auf. Auch die Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen gestaltete sich in dieser Lage schwierig, da diese ein Mandat nur erteilen konnten, wenn Russland sein Veto nicht einlegt.

Punkte zur Diskussion

  • Sollte die OSZE bei den Vereinten Nationen Bestrebungen verfolgen, einen erweiterten Beobachterstatus zu erhalten (vgl. EU) und im Gegensatz zu anderen zwischenstaatlichen Akteur*innen eine herausgehobene Position zu bekleiden? In welcher Weise sollte dieser Status genutzt werden, um auf Entscheidungsprozesse der Vereinten Nationen Einfluss zu nehmen?
  • Ist die Ausbildung paralleler Strukturen der OSZE und der Vereinten Nationen sinnvoll oder ist es von größerer Bedeutung, zwei unabhängige Strukturen zu erhalten, um die Unabhängigkeit der Organisationen zu gewährleisten und keinen Interessenkonflikt zwischen der OSZE und den Vereinten Nationen zu provozieren?
  • In welcher Weise sollten die Staaten der OSZE Informationen aus den Gremien und Organisationen der UN zur Verfügung stellen? Als Beispiel: Die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, welche Mitglied in der EU sind, haben sich verpflichtet, fortlaufend über die Arbeit zu berichten.
  • Inwieweit sollten Positionen, welche innerhalb der OSZE verabschiedet wurden, für die Mitgliedstaaten in Konsultationen mit den Vereinten Nationen verpflichtend sein?
  • In welchen Dimensionen kann die Zusammenarbeit ausgebaut werden und wie ist es möglich, eine aktivere Rolle in den aktuellen Fragestellungen zu spielen?

Quellen

Weitere Quellen und hilfreiche Links

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