forum Sicherstellung von Religionsfreiheit

Einführung in das Thema

Fragen zu diesem Thema können Sie an Joshua Mayer ([email protected]) richten.

Hier gibt es das Handbuch zum Gremium

Einleitung

Eines der elementaren Menschenrechte ist das Recht auf Religionsfreiheit. Dennoch gibt es nach Angaben des UN-Sonderberichterstatters zur Religions- und Glaubensfreiheit in fast 70 Staaten Gesetze gegen Blasphemie, in 30 Staaten zudem Gesetze gegen einen Abfall vom Glauben. In etlichen Fällen sei zudem bei Verstößen die Todesstrafe vorgesehen – obwohl dieses Recht schon in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948, dem UN-Pakt für Bürgerliche und Politische Rechte von 1966 und der UN-Erklärung über die Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung aufgrund der Religion oder Überzeugung von 1981 festgeschrieben ist.
Ob nun durch die Unterdrückung religiöser Minderheiten, das Zurückdrängen der Religionsfreiheit im Nahen und Mittleren Osten sowie Teilen Asiens oder die Verbreitung religiös motivierter Hassbotschaften im Internet – die Religionsfreiheit ist weltweit massiv bedroht und bedarf dringender denn je eines besonderen Schutzes.

Hintergrund und Grundsätzliches

Streitigkeiten zwischen verschiedenen Religions- und Glaubensrichtungen sind in etwa so alt wie Religionen selbst. Die grundlegende Problematik besteht darin, dass bestimmte Gruppierungen, seien sie nun religiös, atheistisch oder anderweitig theologisch geprägt, anderen Menschen die freie Wahl ihrer Religion streitig machen wollen. Dem jüngsten Religious Freedom Report zufolge, der einen Zweijahreszeitraum bis einschließlich Juni 2018 abgedeckt hat, gibt es in 38 Ländern der Erde (entspricht 19,3%) Hinweise auf schwerwiegende Verletzungen der Religionsfreiheit. In 18 dieser 38 Länder (47,5%) hat sich die Situation der Religionsfreiheit weiter verschlechtert, während es in weiteren 18 von 38 Ländern (47,5%) im Zeitraum 2016 bis 2018 keine offensichtlichen Anzeichen einer Veränderung gab. Lediglich in zwei Ländern (5%) haben sich die Bedingungen für die Religionsfreiheit verbessert, nämlich im Irak und in Syrien, die beide 2016 noch sehr grob diese verletzten. In Russland und Kirgisistan wiederum haben sich die Bedingungen für die Religionsfreiheit im Beobachtungszeitraum drastisch verschlechtert. Im Gegensatz dazu hat der deutliche Rückgang militanter islamistischer Gewalt in Tansania (mit Sansibar) und Kenia dazu geführt, dass beide Länder 2018 nicht mehr als besonders bedroht hinsichtlich der Wahrung der Religionsfreiheit eingestuft wurden. Das Recht auf Gedankens-, Gewissens- und Religionsfreiheit ist in Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgehalten. Es gibt über 300 RNGOs (Religious Non Governmental Organizations), von denen sich viele für den Erhalt eben dieser Rechte einsetzen, aber auch Menschenrechts-NGOs wie Amnesty International, deren Themengruppe zu “Religion und Menschenrechte” eigenes Material und sogar Gottesdienstvorlagen zum Thema herausgibt, unter anderem mit Fokus auf religiöse Verfolgung, Todesstrafe oder Frauen zwischen Auflehnung und Verfolgung.
Nach der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Dezember 1948) nahm sich auch der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) im Dezember 1966 dem Schutz der Religionsfreiheit an. Diese wurde im Pakt noch weiter konkretisiert, aber auch bestimmten Beschränkungen unterworfen. So heißt es in Artikel 18 des Pakts, niemand dürfe “einem Zwang ausgesetzt werden, der seine Freiheit, eine Religion oder eine Weltanschauung seiner Wahl zu haben oder anzunehmen, beeinträchtigen würde”. Allerdings dürfe “Die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu bekunden, [...] nur den gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen unterworfen werden, die zum Schutz der öffentlichen Sicherheit, Ordnung, Gesundheit, Sittlichkeit oder der Grundrechte und –freiheiten anderer erforderlich sind.” Da die Bürgerinnen und Bürger der Vertragsstaaten des IPBPR unterschiedlichen Religionen angehören, kann es durchaus zu verschiedenen Interpretationen des Begriffs “Religionsfreiheit” kommen. Dies ist unter anderem auch der Tatsache geschuldet, dass es keinen gemeinsamen Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte gibt, der für eine allgemein akzeptierte Auslegung der Menschenrechte sorgen könnte. Der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen veröffentlicht regelmäßig “Allgemeine Bemerkungen” (General Comments) zur Religionsfreiheit. In der “Allgemeinen Bemerkung Nr. 22” aus Juli 1993 weist der Ausschuss darauf hin, dass sowohl theistische, atheistische als auch anderweitig religiöse Gemeinschaft das Recht haben sollten, sich zu ihrem Glauben zu bekennen. Jedoch sollten die Vertragsstaaten besonders darauf achten, dass die Diskriminierung religiöser Minderheiten durch eine vorherrschende religiöse Gemeinschaft verhindert wird.

Aktuelles

Zurzeit ist die Religions- und Glaubensfreiheit in mehreren Regionen der Welt in Gefahr. So wird beispielsweise die muslimische Minderheit der Uiguren in China systematisch unterdrückt. Die kommunistische Partei hat in der Provinz Xinjiang Berichten zufolge tausende Umerziehungslager eingerichtet, in denen rund 100.000 Uiguren festgehalten werden. Andere Quellen gehen sogar von weit mehr Gefangenen aus. Laut der Partei müssten alle Religionen “China-orientiert” sein, wobei kein Separatismus unter dem Deckmantel der Religion geduldet werde. Zudem sind viele Aktivitäten der religiösen Minderheiten auf bestimmte Örtlichkeiten begrenzt und ihr Zugang zu diversen Online-Medien ist blockiert. im April 2018 wurde der Online-Vertrieb von Bibeln untersagt, woraufhin eine neue, “säkularisierte” Version angekündigt wurde, die mit dem Sozialismus vereinbar sei.
In Russland bereiten seit Juli 2016 insbesondere die als “Jarowaja-Paket” bekannten Gesetze Sorgen. Diese verschärfen die Einschränkungen missionarischer Tätigkeiten, unter anderem das Predigen sowie die Verbreitung von religiösen Materialien. Allerdings ist die religiöse Hauptströmung des Landes von diesen Regelungen ausgenommen. Im Zuge des “Jarowaja-Pakets” hat die Polizei Durchsuchungen in Privatwohnungen und Gotteshäusern religiöser Minderheiten vollzogen. Im April 2017 verbot das Oberste Gericht der Russischen Föderation das Verwaltungszentrum der Zeugen Jehovas mitsamt allen lokalen religiösen Organisationen wegen “Extremismus”.
In der Türkei beispielsweise wird seit dem Staatsstreich im Juli 2016 gegen die Gemeinschaft der Aleviten vorgegangen, deren Moscheen teilweise zu sunnitischen Gotteshäusern umstrukturiert wurden. Darüber hinaus werden Christen sowie andere religiöse Minderheiten oft als Gegner der Regierung unter Präsident Erdogan porträtiert. Weitere Länder, in denen es enorme Mängel beim Schutz der Religionsfreiheit gibt, sind die Demokratische Volksrepublik Korea, wo das Regime die Glaubensfreiheit grundsätzlich verweigert und Pakistan, wo der steigende Widerstand gegen Änderungen der Blasphemiegesetze von Extremisten gerechtfertigt wird, die das Land in einen vollumfänglichen islamischen Staat verwandeln wollen. Auch in Myanmar, wo die Minderheit der Rohingya-Muslime teilweise vernichtet wird, oder Nigeria, wo die militanten Fulani-Hirten christliche Gemeinden ausplündern, brandschatzen und Massaker anrichten, wird die Religionsfreiheit immer wieder verletzt.
Bereits 1981 verabschiedete die Generalversammlung die Erklärung zur Beseitigung von Intoleranz und Diskriminierung aus religiösen Gründen und bestätigte die freie Wahl von Religion beziehungsweise Glaubensrichtung als fundamentales Menschenrecht. Fünf Jahre später setzte der UN-Menschenrechtsrat, damals noch als Menschenrechtskommission bekannt, einen sogenannten Sonderberichterstatter für religiöse Intoleranz ein, der sich regelmäßig zum aktuellen Stand des Rechts auf Religionsfreiheit äußert. Diese Position wurde 2000 in “Sonderberichterstatter für Religions- und Glaubensfreiheit” umbenannt, was vom Wirtschafts- und Sozialrat sowie der Generalversammlung in ihrer Resolution 55/97 unterstützt wurde. Am 21. März 2018 verabschiedete der Menschenrechtsrat die Resolution 40/10, in der das Mandat des Sonderberichterstatters um weitere drei Jahre verlängert wurde. Dieser organisierte im September 2016 gemeinsam mit dem Weltkirchenrat einen Workshop zum Thema “Religion und religiöse Freiheit in internationaler Diplomatie”, in dem unter anderem für eine Aufhebung des Gegensatzes zwischen Religion und Säkularität sowie eine Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Religionsgemeinschaften geworben wurde.

Probleme und Lösungsansätze

Obwohl die UN bereits viele verschiedene Maßnahmen getroffen haben, ist die Bedrohung der Religionsfreiheit weiterhin allgegenwärtig. Im Unterschied zu den bisherigen Religious Freedom Reports gibt es einen Anstieg der Zahl der Länder mit schwerwiegenden Verletzungen der Religionsfreiheit, in denen sich die Situation eindeutig verschlechtert hat. Dies war 2018 in 18 Ländern der Fall, also in vier mehr als im vorherigen Berichtszeitraum. Dieser generellen Verschlechterung liegt ein Muster zugrunde: Eine zunehmende Gefährdung der Religionsfreiheit durch staatliche Akteure. Beispiele hierfür sind u. a. Myanmar, China, Indien, Iran, Kasachstan, Kirgisistan, Russland, Tadschikistan und die Türkei. Vieles deutet darauf hin, dass diese Bedrohung im kommenden Jahrzehnt zunehmen könnte. Dieselbe Prognose lässt sich mit größerer Gewissheit für autoritäre Regime machen. Diese sind dafür verantwortlich, dass die Religionsfreiheit seit 2016 in vielen Ländern Rückschritte gemacht hat – darunter auch Staaten, die auf regionaler und internationaler Ebene großen Einfluss ausüben.
Die Gewalt gegen Christen, Muslime und andere Minderheiten ist der Auswuchs einer besonders aggressiven Form des Nationalismus, der sich rund um den Globus manifestiert. Die Akteure dieses Nationalismus stellen gesetzestreue Minderheitsgemeinschaften nicht nur als Gefahr für den Nationalstaat dar, sondern gehen darüber hinaus aggressiv gegen sie vor – und wollen sie so zwingen, ihre unverwechselbare Identität aufzugeben oder aber das Land zu verlassen. Dieses Phänomen kann als Ultranationalismus bezeichnet werden. Wird diesem nicht Einhalt geboten, ist zu befürchten, dass er wachsenden Druck und eventuell sogar ausgewachsene Gewalt hervorbringt – wodurch die betroffenen Minderheiten gezwungen werden sollen zu fliehen, oder sich aber ihren Glauben aufzugeben.
In Teilen Afrikas beispielsweise mögen islamistische Expansionsbestrebungen zwar nicht so aggressiv verlaufen sein, waren jedoch nicht weniger ehrgeizig. Berichte deuten auf eine Vielzahl von Initiativen hin, die eine islamistische Übernahme angestreben. Dazu gehört die Zahlung von Bestechungsgeldern an Menschen, wenn sie konvertieren und sich der Sache der Extremisten anschließen, das Angebot von kostenfreien Kursen, die in den Wahhabismus und andere radikale Bewegungen einführen; und der immense Neubau von Moscheen – unabhängig von der tatsächlichen Nachfrage.
Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Forschungen zum militanten Islam betrifft das Ausmaß, in dem Frauen Gewalt angetan wird, genauer gesagt im Zuge einer Zwangskonversion. Demnach hat es unter der Herrschaft des sogenannten Islamischen Staat und anderer stark extremistischer Gruppierungen systematische Bemühungen gegeben, die Bevölkerungsstruktur zu verändern. So hat der IS versucht, nichtmuslimische Frauen zur Konversion und zur Heirat mit Anhängern der Terrormiliz zu zwingen, damit mehr Kinder entsprechend der vom IS propagierten Version des Islam heranwachsen.
In den vergangenen Jahrzehnten konnten im Kampf um den Schutz der Religionsfreiheit einige wichtige Fortschritte erzielt werden. Hier sind vor allem positive Entwicklungen infolge der massiven Verluste zu nennen, die der IS und andere Extremisten in Irak und Syrien, im Nordosten Nigerias und anderen Gebieten erlitten haben. Dadurch wurde nicht nur den massiven Verletzungen der Religionsfreiheit durch die Islamisten ein Ende bereitet, sondern mancherorts auch die Rückkehr von Minderheiten eingeläutet, die zuvor aus ihrer Heimat vertrieben worden waren. Doch während der islamistische Extremismus in einigen Regionen zurückgedrängt werden konnte, hat er sich in anderen wiederum ausgebreitet – mit verheerenden Konsequenzen. Zusätzlich zu islamistischem Extremismus gibt es beispielsweise noch Hindu-Nationalismus in Indien, der sich gegen die dortige christliche und vor allem muslimische Minderheit richtet, oder auch starke Diskriminierung gegenüber Muslimen in den USA, wo einer Studie zufolge bis zu drei von vier Muslimen den Eindruck haben, extrem benachteiligt bzw. diskriminiert zu werden.
In einer globalisierten und durch interkulturellen Austausch infolge immens angestiegenen medialen und technologischen Wandel geprägten Welt, in der Massenmigration und soziale Mobilität immer wichtiger sind, werden die Chancen für Frieden und gemeinschaftlichen Zusammenhalt zwangsläufig gemindert, wenn Hass auf Religionen weiter wächst. Denn es bleibt eine Tatsache, dass für die viele Menschen auf der Erde die Religion eine wesentliche – und oft die wichtigste – Kraft ist, die sie im Leben antreibt, weswegen ihre freie Wahl um jeden Preis zu schützen ist.

Punkte zur Diskussion

  • Wie lässt sich Religions- und Glaubensfreiheit generell schützen? Welche Rolle müssen die Vereinten Nationen hierbei spielen?
  • Mit welchen RNGOs sollte die Staatengemeinschaft zusammenarbeiten, um dieses Ziel zu erreichen? Wie genau soll diese Zusammenarbeit aussehen? (Projekte, Publikationen, etc.)
  • Wie genau lässt sich Religionsfreiheit definieren und nach welchen Kriterien ist sie effektiv zu schützen?
  • Wie ist gegen regional operierende religiöse Extremisten vorzugehen?
  • Wie können Strategien aus Länder helfen, die mittlerweile nicht mehr als gefährdet im Bezug auf Religionsfreiheit gelten?

Besonders hilfreiche Quellen

Wichtige Dokumente

  • Deutsche Übersetzung der UN-Erklärung über die Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung aufgrund der Religion oder Überzeugung - Vereinte Nationen: Erklärung über die Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung aufgrund der Religion oder Überzeugung. New York, 25.11.1981. https://www.un.org/depts/german/gv-early/ar36055.pdf
  • Zusammenfassung eines vom Sonderberichterstatter organisierten Workshops zum Thema Umgang mit Religionsfreiheit auf diplomatischem Parkett - United Nations Human Rights Office of the High Commissioner: Religion and Religious Freedom in International Diplomacy. 22.09.2016. https://www.ohchr.org/Documents/Issues/Religion/WorkshopReligion.pdf

Quellen und weiterführende Links

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