forum Lage in der Ost-Ukraine

Einführung in das Thema

Fragen zu diesem Thema können Sie an Santiago Rodriguez ([email protected]) richten.

Hier gibt es das Handbuch zum Gremium

Einleitung

Die Situation in der Ostukraine ist seit Februar 2014 eine der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen der ukrainischen Regierung, Russland und den selbsternannten Volksrepubliken Lugansk und Donezk um die völkerrechtliche Zugehörigkeit der östlichen und südöstlichen Gebiete der Ukraine; Krim, Luhansk und Donezk. Ausgelöst durch die Euromaidan-Bewegung von 2013 und vertieft durch die Annexion der Halbinsel Krim durch Russland im März 2014, läuft die Krise um die Ostgebiete (bzw. als ukrainische Verwaltungseinheiten auch als Oblasten bezeichnet) der Ukraine, Luhansk und Donezk, bis zum heutigen Tage schon fünf Jahre lang in der Form eines bewaffneten Konfliktes zwischen der ukrainischen Regierung in Kiew und den Separatisten in den jeweiligen Oblasten fort. Inoffiziell unterstützt von der russischen Regierung, wollen die Separatisten aus den beiden Gebieten die komplette politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit von der Ukraine erzwingen. Sie verstehen sich als autonome Republiken, die in einer engeren Beziehung zu Russland stehen.
Seit dem Kriegsanfang 2014 sind mehrere Waffenstillstände zwischen den beiden Konfliktparteien verhandelt aber auch wiederholt verletzt worden, was zum Einsatz immer schwererer Waffen und zur Entstehung von weiteren tödlichen Auseinandersetzungen auf den Gebieten der Ostukraine geführt hat. Bisher sind mehr als 13.000 Menschen während der Kämpfe in der Ostukraine ums Leben gekommen und bis zu 30.000 verletzt worden. Einen langfristigen Waffenstillstand zu verhandeln, der Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien ermöglicht und weitere Todesopfer vermeidet, ist ein wichtiger Meilenstein für die Arbeit der Vereinten Nationen in den beiden Oblasten von Luhansk und Donezk.
Auf der Halbinsel Krim ist die Situation wiederum eine deutlich andere. Der politische Status der Halbinsel Krim, die im März 2014 von Russland als eines seiner Föderationssubjekte annektiert wurde, ist bis heute noch auf internationaler Ebene umstritten und wird von weiten Teilen der internationalen Staatengemeinschaft als Teil des ukrainischen Hoheitsgebietes anerkannt. Trotz dieser Anerkennung unterliegt das Gebiet der Halbinsel Krim aktuell russischer Verwaltung. Insbesondere durch die militärische Anwesenheit Russlands im Schwarzen Meer und in der Großstadt der Halbinsel, Sewastopol.

Hintergrund und Grundsätzliches

Seinen Anfang nahm der Konflikt mit der sogenannten Euromaidan-Bewegung Ende 2013, die engere Beziehungen zwischen der Ukraine und der Europäischen Union forderte. Ursache dafür war, dass sich die damalige ukrainische Regierung unter dem Präsidenten Wiktor Janukowytsch im November desselben Jahres geweigert hatte, ein bisher vorgesehenes, von der pro-europäischen Wählerschaft unterstütztes, Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union zu unterzeichnen. Das Janukowytsch-Kabinett hatte bereits zuvor wiederholt die Unterzeichnung verschoben. Die Janukowytsch-Regierung befürchtete eine Distanzierung von Russland. Eine Unterzeichnung des Vertrags riskierte aufgrund des großen ethnischen Anteils an Russen - insbesondere in den Oblasten Krim, Luhansk und Donezk - und der langen Geschichte der Ukraine mit Russland, die mehr als 8 Millionen Russen innerhalb der Ukraine von dem Rest der Bevölkerung zu entfremden. Die pro-europäische Euromaidan-Bewegung forderte jedoch noch bis Februar 2014 die Absetzung des Präsidenten Janukowytsch und die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union. Nach langen, unter anderem auch gewalttätigen Protesten gelang es der Bewegung, am 22. Februar den umstrittenen Präsidenten zur Flucht aus dem Lande zu zwingen und eine Übergangsregierung an seiner Stelle an die Macht zu bringen, die das politische Gerüst des Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union am 21. März unterzeichnete sowie neue Wahlen für dasselbe Jahr ansetzte. Die Übergangsregierung wurde von der Russischen Föderation, die kurz zuvor auch dem geflüchteten Präsidenten der Ukraine Asyl gewährt hatte, als illegitim bezeichnet und nicht anerkannt. Der Kreml warf der Euromaidan-Bewegung und der vom ukrainischen Parlament aufgestellten Übergangsregierung vor, die politische Macht über das Land in einem illegalen Putsch an sich gerissen zu haben um die Stimme der russischen Minderheiten, die während dem Wahlkampf 2010 für Janukowytsch gestimmt hatten, zu unterdrücken. Diese Ansicht teilt der Großteil der restlichen internationalen Staatengemeinschaft nicht. Die Mehrheit der Staaten hat sowohl die Entmachtung des Präsidenten Janukowytsch als auch die Machtübernahme der Übergangsregierung offiziell für verfassungsgemäß und legitim erklärt.
Die Spannung zwischen den beiden Parteien stieg dann anschließend am 27. Februar weiter an, als russische Truppen, die zu diesem Zeitpunkt auf der Halbinsel Krim auf russischen Militärbasen stationiert gewesen waren, anfingen, die Kontrolle über die Halbinsel zu übernehmen. Pro-russische Politiker riefen am 16. März 2014 ein verfassungswidriges Referendum über den politischen Status der Krim aus, bei dem nach offiziellen Quellen der russischen Verwaltung eine Mehrheit von 96,77% der Bevölkerung der Krim für die Unabhängigkeit von der Ukraine und die Eingliederung in die Russische Föderation stimmte. Inwiefern diese Stimmverhältnisse der Realität entsprachen wurde von zahlreichen Außenstehenden infrage gestellt und die Verfassungswidrigkeit des Referendums ebenfalls entschieden verurteilt, doch die Russische Föderation fuhr am 21. März trotz des mehrstimmigen Einspruchs aus der internationalen Staatengemeinschaft mit der offiziellen Annektierung der Krim als eines seiner Föderationssubjekte fort.
Parallel zum Aufruhr auf der Halbinsel Krim wurde auch in den beiden Oblasten von Donezk und Luhansk von lokalen Separatisten versucht, mit Hilfe russischer Unterstützung zwei selbstständige Volksrepubliken und die Unabhängigkeit von der Ukraine auszurufen. Der Konflikt eskalierte zu einem bewaffneten Konflikt zwischen den Separatisten und der ukrainischen Regierung im Juli. Im diesem Monat wurde ein Flugzeug der Malaysia Airlines (MH17) abgeschossen, als es ein Kampfgebiet im Südosten der Ukraine überflog. Unabhängige Beobachter aus dem Westen, sowie die Niederlande, Malaysia und die Ukraine machen russische Streitkräfte für den Abschuss verantwortlich. Russland bestreitet das. Bei diesem Zwischenfall starben fast 300 Zivilisten. Der Sicherheitsrat versuchte, ein Sondertribunal zur Untersuchung eines Kriegsverbrechens gegen zivile Opfer einzurichten, doch die Resolution wurde durch Russland blockiert. Es wurden ebenfalls weitere Resolutionen des Sicherheitsrates gegen die Gültigkeit des Krim Referendums, gegen die Annexion durch Russland und für die Verurteilung der kriegführenden Separatisten aufgrund der Gegenstimmen der russischen Delegationen abgelehnt. Seit Anfang des Konfliktes hat sich die Arbeit des Sicherheitsrates in der Folge darauf gerichtet, einen Waffenstillstand in der Region in die Wege zu leiten und die Auswirkungen des Konflikts auf die Zivilbevölkerung zu verringern. Da die russische Föderation mit einem solchen Verfahren einverstanden ist, konnten auch mehrere Resolutionen wie Resolution S/RES/2202 zur Annahme der Minsker Abkommens oder Resolution S/RES/2166 zum Bedauern des Vorfalls von Flug MH17 ohne Deutung von Schuldigen verabschiedet werden. Eine Resolution, die aber zumindest annähernd auf eine mögliche Lösung des Konfliktes hindeutet, konnte bisher nicht verhandelt werden.

Aktuelles

Aktuell hat sich die Situation in den Oblasten von Donezk und Luhansk zu einer der Abwechslung zwischen Waffenstillständen und kriegerischen Auseinandersetzungen entwickelt. Das Ziel der meisten diplomatischen Akteure ist es, die Minsker Abkommen - im allgemeinen Sprachgebrauch auch als Minsk I und Minsk II bezeichnet - zu implementieren und den bewaffneten Konflikt endgültig zu beenden. Die Minsker Abkommen wurden jeweils 2014 und 2015 in der Hauptstadt von Weißrussland, Minsk, vereinbart, wobei aber Minsk I vielmehr eine schriftliche Zusammenfassung von Punkten ist, die in Beratungen zur temporären Beilegung von Kampfhandlungen vorgeschlagen wurden, und Minsk II der tatsächliche Vertrag zwischen der Ukraine, Russland, Deutschland, Frankreich und den Vereinigten Staaten ist, in denen sie sich auf die Einhaltung dieser Punkte einigten. Hierbei sahen sowohl Minsk I als auch Minsk II die Vereinbarung eines von der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) überwachten Waffenstillstandes und den Rückzug ukrainischer Truppen und russischer schwerer Waffen von der Front zwischen den Gebieten vor. Außerdem sollten die Oblaste Luhansk und Donezk erneut in die Ukraine eingegliedert und durch ein speziell eingeführtes Selbstverwaltungssystem kontrolliert werden. Mitsamt neuer, lokaler Wahlen sollten innerhalb der territorialen Integrität der Ukraine die prorussischen Anteile der Bevölkerung ihr Selbstbestimmungsrecht in der Form einer von Kiew unabhängigeren Selbstverwaltung ausüben.
Die Umsetzung dieser Punkte scheiterte aber wenige Tage nach der Unterzeichnung von Minsk II am 5.9.2015 als der Waffenstillstand gebrochen und der blutige Konflikt erneut zum Leben erwachte. Auch die Situation auf der Halbinsel Krim ist seit der Annektierung durch Russland dieselbe geblieben und trotz wirtschaftlicher Sanktionen der Europäischen Union unterliegt die Halbinsel heutzutage immer noch russischer Verwaltung. Anfang November 2019 begannen jedoch nach erneuten Gesprächen der ukrainischen Regierung mit Russland sowohl ukrainische Truppen als auch separatistische Streitkräfte von der Front im Bereich von Zolote und Petrivske in Luhansk abzuziehen. Weitere Verhandlungen um den Konflikt endgültig zu beenden sind derzeit im Gange. Doch ob dieser Waffenstillstand endgültig bestehen bleiben wird, ist unklar.
Zurzeit hängen die Verhandlungsgespräche zwischen der Ukraine und Russland im Wesentlichen davon ab, ob die unter den Minsker Abkommen vereinbarten Maßnahmen noch implementieren werden, oder ob sich die Parteien auf die Erstellung eines neuen Abkommens einigen können. Einer der Kritikpunkte von diplomatischen Gesandten betreffend das Minsker Abkommen ist, dass die Russische Föderation durch diese Abkommen zu nichts verpflichtet wird. Denn obwohl das Abkommen den Unterzeichnerstaaten mehrere Richtlinien vorschreibt um den Konflikt in der Ostukraine zu entschärfen, sind diese Vorschriften in keiner Weise verbindlich für die Russische Föderation oder andere beteiligte Konfliktparteien formuliert und zu einem hohen Grad frei interpretierbar. Die russische Regierung dementiert, dass Russland die separatistischen Streitkräfte und Milizen während des Konfliktes mit Waffen, Geldern und sogar Soldaten unterstützt. Russland betont das Selbstbestimmungsrecht der Völker und beruft sich in seinem Handeln auf den humanitären Schutz. Gemäß offizieller Lesart sind die Russischen Soldaten in der Ostukraine dort “in ihrer Freizeit” tätig. Das wird von den meisten Staaten stark bezweifelt.
Während die Gegenwärtige Situation für die Konfliktparteien zum langfristigen Arrangement wird, leidet die Zivilbevölkerung seit sieben Jahren nicht nur durch die direkten Kampfhandlungen. Der Krieg macht eine Versorgung mit Wärme, Wasser, Elektrizität und oft auch mit Lebensmitteln sehr schwierig. Der streng überwachte Zugang zu den Gebieten Luhansk und Donezk vom Rest der Ukraine verursacht aber auch große Armut. So werden Beispielsweise Renten in diesen Gebieten nur unter strengen Auflagen bezahlt. Ein normales wirtschaften ist für die Bewohner der Gebiete kaum mehr möglich. Viele Menschen mussten ihre Zerstörten Häuser verlassen und leben nun als Vertriebene. Diese Leben oftmals unregistriert in den Kampfgebieten oder fliehen in die westlicheren Regionen der Ukraine. Dort kommt ihnen als ethnische Russen eine schwierige Rolle zu, eine Integration findet kaum statt. Eine Vielzahl an Minen und nicht-explodierten Munitionsteilen sorgt für ein stetes Risiko und macht eine Wiederaufnahme von Landwirtschaft zur Nahrungsversorgung beinahe unmöglich.

Probleme und Lösungsansätze

Für die internationale Staatengemeinschaft ist die Frage rund um die Oblaste Luhansk, Donezk und Krim eine der territorialen Integrität der Ukraine, die nach dem Völkerrecht und der Charta der Vereinten Nationen gewährleistet werden muss. Eine Lösung beinhaltet somit für den Sicherheitsrat in dessen Rolle als Organ der Vereinten Nationen die Wiederherstellung der ukrainischen Souveränität über die umstrittenen Territorien, sowie die endgültige Beendigung des Konfliktes. Die entgegengesetzte Stellung der russischen Föderation erschwert die Verhandlung und Umsetzung einer solchen Lösung aber aufgrund von dessen notwendiger Zustimmung bei jeglichen Beschlüssen des Sicherheitsrates. Die Regierung in Moskau erwidert das Argument der territorialen Integrität mit dem des Selbstbestimmungsrechts der Völker und ist der Ansicht, dass die lokale Bevölkerung von Kuhansk und Donezk in einem Referendum darüber entscheiden sollten, diese Gebiete auch in Zukunft der Ukraine angehören sollen. Hinter diesem anscheinend völkerrechtlichen Argument liegen nach Meinung amerikanischer Botschafter territoriale und militärisch-strategische Gründe Russlands.
Aufgrund der entgegengesetzten Einstellungen der Konfliktparteien sind Kompromisse wie die Minsker Abkommen somit aktuell nur schwer erreichbar. Die rein völkerrechtlich anstehende Wahrung der territorialen Integrität der Ukraine, scheint vor dem Hintergrund der von Russland geschaffenen Fakten unwahrscheinlich. Während für die Donezk und Luhansk noch eine Lösung denkbar ist, die diese Territorien, bei hoher Autonomie, in der Ukraine hält, scheint dies bei der Krim aktuell kaum möglich. Die Einhaltung der Waffenstillstandsabkommen scheitert bislang auch oft daran, dass Zusagen, die in den Abkommen gemacht werden, nicht eingehalten werden. Aktuell erscheint daher kein Kompromiss in der Lage die Situation zu lösen. Das steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der speziellen Rolle Russlands in diesem Konflikt. Dennoch waren die Minsker Abkommen ein bedingter Erfolg, da durch die Verhandlungen dieser gemeinsamen Richtlinien eine Eskalation des Konfliktes wie etwa in Syrien vermieden werden konnte. Einen Waffenstillstand zu verhandeln, der den Konflikt aufs erste entschärft bis eine endgültige Lösung bezüglich des Status der Krim, sowie Luhansk und Donezk verhandelt werden kann, wäre somit auch ein völlig befriedigender Ansatz auf dem Weg zu einer langfristigen Lösung des Konfliktes und könnte entweder im Rahmen der Implementierung der Minsker Abkommen oder von Neuverhandlungen vereinbart werden.

Punkte zur Diskussion

Eine Bewertung der Rolle Russlands erscheint vor dem Hintergrund der Struktur des Sicherheitsrates wenig zielführend. Schuldzuweisungen sind nicht die Aufgabe des Sicherheitsrates. Stattdessen sollte das Gremium überlegen, wie Russalnd trotz seiner strategischen Interessen Teil der Problemlösung sein kann.

  • Sollten die Minsker Abkommen erneut implementiert werden oder sind stattdessen Neuverhandlungen nötig? Falls letzteres der Fall ist, welche Punkte müssen noch angesprochen werden und welche können bereits aus der Vorlage der Minsker Abkommen entnommen werden?
  • Soll die OSZE weiterhin für die Überwachung der Konfliktregionen zuständig sein oder sind andere Alternativen wie der Einsatz einer Mission der Vereinten Nationen eher geeignet?
  • Welcher politische Status soll den Gebieten von Luhansk, Donezk und Krim vorübergehend bis zur Lösung des Konfliktes erteilt und von der internationalen Staatengemeinschaft anerkannt werden?
  • Abseits der politischen Fragen leidet die Zivilbevölkerung nach wie vor stark unter den Auseinandersetzungen. Wie kann ihr Schutz besser gewährleistet werden? Was können die Konfliktparteien tun um Zivilisten zu schützen? Welche praktischen Maßnahmen bleiben um das Leben in den Konfliktregionen schnell stabiler und sicherer zu machen? Welche Rechte müssen die Vertriebenen in der Ukraine haben, welchen Schutz brauchen sie in den Kampfgebieten?

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