forum Situation von Kindern und Jugendlichen im Jemen

Einführung in das Thema

Fragen zu diesem Thema können Sie an Sina Becker ([email protected]) richten.

Hier gibt es das Handbuch zum Gremium

Einleitung

Seit 2015 herrscht in der Republik Jemen Krieg. Bereits davor zählte das Land zu den ärmsten der Welt. In den letzten vier Jahren seit Ausbruch des Krieges hat sich die Lage im Land stark verschlechtert. Das Land befindet sich in einer Wirtschaftskrise, sodass sich das Bruttoinlandsprodukt (BIP) halbiert hat. Schätzungen zufolge hat der Krieg das Land in seiner Entwicklung um 20 Jahre zurückgeworfen. Die Infrastruktur im Jemen leidet unter der Auseinandersetzung. Weder die Versorgung mit sauberem Trinkwasser noch mit ausreichend Lebensmitteln für die Bevölkerung kann gewährleistet werden. 2017 sorgte eine Cholera-Epidemie für mehr als eine Million Erkrankte. 80 % der Bevölkerung benötigen humanitäre Hilfe. Während des Krieges starben zehntausende Menschen, darunter waren tausende zivile Opfer. Die Vereinten Nationen sprechen von der weltweit größten humanitären Katastrophe. Am stärksten leiden Kinder und Jugendliche unter der Situation.

Hintergrund und Grundsätzliches

Der Krieg im Jemen wird heutzutage oft als religiöser Konflikt zwischen Schiit*innen und Sunnit*innen dargestellt. Dies war er jedoch nicht von Beginn an. Erst die religiöse Propaganda der letzten Jahre auf beiden Seiten rechtfertigt die Beschreibung als Religionskonflikt. Ursprünglich handelte es sich bei dem Konflikt um eine innerjemenitische Frage, die nichts mit Konfessionen zu tun hatte. Tatsächlich ähneln die im Jemen lebenden Schiit*innen in ihrer Auslegung des Islam mehr der sunnitischen als anderen schiitischen Interpretationen. Sie nennen sich Zaidit*innen und teilen sich Moscheen mit den Sunnit*innen. Ehen zwischen den beiden Konfessionen waren nicht selten.
Der Konflikt begann 2004 im Nordwesten des Jemen. Dort leben vor allem Menschen, die dem Huthi-Stamm angehören. Diesem warf die jemenitische Regierung separatistische Ziele vor. Als sich die Huthis gegen die Diskriminierung durch die Zentralregierung wehrten, griff diese hart durch. Viele Menschen wurden inhaftiert und der Anführer der Huthis wurde von der Regierung umgebracht. Es bildete sich die Rebellenmiliz „Ansar Allah“ („Partisanen Gottes“), die Vergeltung für die Opfer auf ihrer Seite verüben wollte. Als sie im September 2014 große Teile des Nordwesten Jemens einnahm und die Regierung aus der Hauptstadt Sanaa vertrieb, regte sich in der Bevölkerung kaum Widerstand. Viele waren neugierig und warteten erst einmal ab. Sie hofften, dass die neue Regierung weniger korrupt als die alte unter Präsident Abed Rabbo Mansour Hadi würde. Einzig die jemenitische Muslimbruderschaft (Islah-Partei) stellte sich aktiv gegen die Machtübernahme der Huthis. Doch auch bereits davor war die jemenitische Politik von Umbrüchen geprägt. 2011 musste der vorherige Präsident Ali Abdullah Saleh wegen großen Protesten in der Bevölkerung sein Amt aufgeben. Er unterstützte später die Huthi-Rebellen, bis es auch hier erneut zu Konflikten kam und die Huthi-Rebellen ihn 2017 töteten.
Zum Krieg im Jemen kam es im März 2015. Saudi-Arabien, das die abgesetzte jemenitische Regierung unterstützt, bombardierte Ziele im Huthi-geführten Nordwesten Jemens. Dabei kamen nicht nur Mitglieder des Militärs, sondern auch zahlreiche Zivilist*innen ums Leben. Seit dem Beginn der Militäroffensive starben zehntausende Menschen, darunter tausende Unbeteiligte in der Zivilbevölkerung. Gestützt wird das Bündnis der jemenitischen Regierung und Saudi-Arabiens unter anderem von Kuwait, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, sowie von den Vereinigten Staaten. Offiziell möchte Saudi-Arabien die international anerkannte Regierung Jemens verteidigen. Im Grunde führt das Königreich Saudi-Arabien jedoch einen Krieg gegen den Iran. Es befürchtet, dass dieser sich auch an seiner Südgrenze festsetzen möchte, indem dort die durch den Iran unterstützten Huthi-Rebellen an Einfluss gewinnen. Das sunnitische Königreich fühlt sich durch den schiitischen Halbmond, bestehend aus dem Iran und den vom Iran unterstützten Staaten Irak, Syrien und Libanon, bedroht. Erst durch religiös motivierte Propaganda in jüngerer Zeit wurde so aus dem innerjemenitischen Konflikt auch ein religiöser Krieg.
Dabei darf nicht übersehen werden, dass es sich zu Beginn des Konflikts um einen Konflikt unter Jemenit*innen handelte. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass die Huthi-Rebellen erst 2011 Hilfe vom Iran annahmen und die Kooperation mit dem Iran erst seit 2014 enger wurde. Dies kann auch damit erklärt werden, dass diese Kooperation durch Saudi-Arabien als viel größerem Feind erst wirklich nötig wurde. Die iranische Unterstützung bezieht sich dabei auf beratende Tätigkeiten und Hilfe in der Medienarbeit, sowie technische, politische und militärische Unterstützung. Diese wird vor allem über die libanesische Hisbollah ausgeführt. Diese gilt ebenfalls als Vorbild für die Huthi-Rebellen in der Kriegstaktik, die vor allem in einer Guerillataktik besteht.

Aktuelles

Bereits 2011 ernannte der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon einen Sonderbeauftragten für den Jemen. Dieser sollte beim Errichten einer stabilen Demokratie helfen, nachdem der amtierende Präsident Ali Abdullah Saleh nach Protesten das Amt an seinen Stellvertreter Abed Rabbo Mansour Hadi übergeben hat. Mithilfe des Sonderbeauftragten wurde im Dezember 2018 das Stockholm-Abkommen zwischen den Huthi-Rebellen und der Hadi-Regierung ausgehandelt. Hierbei handelt es sich um eine erste Annäherung der beiden Parteien. Sie einigten sich auf einen Gefangenenaustausch, den Abzug der Truppen aus den Häfen Ras Isa, Saleef und Hodeidah und eine Waffenruhe in der Stadt Hodeidah. Der Gefangenenaustausch kommt nur langsam ins Rollen und bisher wurde nur der Hafen Hodeidah von den Huthi-Rebellen freigegeben. Dies ist der wichtigste Hafen des Landes, sodass nun Hilfslieferungen erhöhte Chancen haben, dort anzukommen, wo sie gebraucht werden. Seit Juli 2019 haben UN-Inspektor*innen im Rahmen der UNMHA (UN Mission to support the Hodeidah Agreement) die Kontrolle der Schiffe im Hafen übernommen. Das Mandat wurde mit der Resolution S/RES/2452 (2019) des Sicherheitsrates begründet und mit der Resolution S/RES/2481 (2019) bis zum 15. Januar 2020 verlängert.
Im September 2017 schuf der Menschenrechtsrat mit der Resolution A/HRC/RES/36/31 die Group of Eminent Experts on Yemen. Diese untersucht seitdem unabhängig die Situation der Menschenrechte im Jemen und unterhält Beziehungen zu jemenitischen Behörden, Interessenverbänden, die mit der Situation im Jemen vertraut sind, und den Regierungen der angrenzenden Golfstaaten, um die Menschenrechte im Jemen weiter durchzusetzen. Soweit es der Group of Eminent Experts on Yemen möglich ist, versucht sie Akteur*innen, die Menschenrechtsverletzungen verüben, zu identifizieren. Außerdem gibt sie Empfehlungen heraus, die die Einhaltung der Menschenrechte im Jemen fördern sollen. Jährlich erstellt die Group of Eminent Experts on Yemen aus den gewonnen Daten einen Bericht. Mit den Resolutionen A/HRC/RES/39/16 (2018) und A/HRC/RES/42/2 (2019) wurde die Arbeit der Gruppe verlängert.
In der Resolution A/HRC/RES/42/31 (2019) fordert der Menschenrechtsrat alle am jemenitischen Konflikt beteiligten Parteien dazu auf, keine Kindersoldat*innen mehr einzusetzen und die betroffenen Kinder freizulassen. Außerdem soll weiterhin Capacity-building betrieben und Hilfeleistung zur Verfügung gestellt werden.
Im Oktober 2018 unterzeichnete Jemen als eines von 96 Staaten die Safe Schools Declaration und verpflichtet sich damit, Bildungseinrichtungen, Lehrpersonal, sowie Schüler*innen und Studierende auch in bewaffneten Konflikten besonders zu schützen und Schulbildung zu gewährleisten. Ebenfalls im Oktober 2018 forderte das EU-Parlament die EU-Mitgliedsstaaten dazu auf, den Waffenverkauf an Saudi-Arabien auszusetzen.

Probleme und Lösungsansätze

Der Krieg im Jemen hat den Alltag aller Menschen im Jemen ungeachtet ihrer sozialen Zugehörigkeit stark verändert. Reichere Menschen leben in Gefahr, dass sie selbst oder Angehörige entführt werden, um Geld zu erpressen. Militäroffizier*innen werden gezwungen, im Krieg zu kämpfen und Journalist*innen und Menschenrechtsaktivist*innen werden bei kritischer Berichterstattung verhaftet, entführt oder ermordet. Die Infrastruktur hat in den letzten Jahren stark gelitten. Lebensmittel und Trinkwasser sind knapp. Durch eine Seeblockade Saudi-Arabiens kommen kaum Lebensmittel ins Land. Den meisten Menschen fehlt das Geld für medizinische Behandlungen. Doch selbst wenn sie es hätten, gäbe es keine ausreichende medizinische Versorgung im Land. Nur die Hälfte aller medizinischen Einrichtungen waren Ende 2018 noch funktionstüchtig. 2017 litten mehr als eine Million Menschen im Jemen an Cholera und Anfang 2019 stiegen die Zahlen kurzzeitig wieder auf mehrere hunderttausend. Ende 2018 benötigten insgesamt 80 % der Bevölkerung, 24 Millionen Menschen, humanitäre Hilfe, davon 14 Millionen dringend. Sie sind durch eine Hungersnot gefährdet.
Am stärksten trifft dieser Krieg die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft: Kinder und Jugendliche. Laut UNICEF-Bericht vom Dezember 2018 sind im Jemen 1,5 Millionen Kinder auf der Flucht, acht Millionen Kinder haben keinen verlässlichen Zugang zu Trinkwasser und sanitären Anlagen, und sieben Millionen Kinder befinden sich am Rande einer Hungersnot. 1,8 Millionen Kinder unter fünf Jahren sind akut mangelernährt, davon 400 000 akut lebensbedrohlich. Jährlich sterben im Jemen 30 000 Kinder an Mangelernährung. Alle zehn Minuten stirbt dort außerdem ein Kind an vermeidbaren Krankheiten.
Kinder sind auch direkt von den militärischen Operationen betroffen. Mehr als 2 500 starben bei Angriffen auf zivile Ziele, wie z.B. Krankenhäuser oder Schulen, weitere 4 000 wurden dabei verletzt. Alle im Jemen beteiligten Parteien rekrutieren zudem Jungen ab elf Jahren als Kindersoldat*innen. Die UNICEF gab in dem Bericht von Dezember 2018 eine Zahl von 2 700 Kindersoldat*innen an. 2018 nannte der UN-Generalsekretär in seiner „list of shame“ mit Ausnahme Saudi-Arabiens alle Parteien, die am jemenitischen Konflikt beteiligt sind, da sie gegen die Empfehlungen der Arbeitsgruppe zum Umgang mit Kindern in bewaffneten Konflikten verstießen. Saudi-Arabien wurde für die unternommenen Maßnahmen zum Kinderschutz gelobt, obwohl auch die saudi-arabische Koalition durch ihre Angriffen auf zivile Ziele weiterhin Kinder tötet, verstümmelt, traumatisiert und zu Waisen macht.
Mehr als drei Millionen Frauen und Kinder sind durch den Krieg einer stärkeren Gefahr von Gewalt ausgesetzt. Die Rate an Zwangs- und Kinderehen ist seit Ausbruch des Krieges stark gestiegen. 2016 waren knapp über die Hälfte der Frauen unter 18 Jahren im Jemen verheiratet, 2018 waren es bereits zwei Drittel. Problematisch ist dies auch, da Frauen und Mädchen nicht die gleichen Rechte wie Männer und Jungen haben. Dies betrifft z.B. Scheidungen und Erbschaften.
Wichtig ist es, den Zugang für Kinder zu Trinkwasser, Lebensmitteln, medizinischer Versorgung und Bildung zu sichern. Dies gestaltet sich jedoch schwierig, da die Konfliktparteien Hilfsgüter oft einbehalten und die Lieferung zu den Orten, wo sie dringend benötigt würden, behindern. Dies führt dazu, dass Hilfsorganisationen ihre Lieferungen einstellen, wie es z.B. das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) tat. Hiervon sind circa 850 000 Menschen in der Region um die Hauptstadt Sanaa betroffen. Zudem dürfen Angestellte von Hilfsorganisationen nur eingeschränkt im Land reisen und sind ständig in Gefahr, entführt oder getötet zu werden. Dies erschwert die humanitäre Hilfe drastisch. Erleichtert wird die Verteilung von Hilfsgütern durch das Einrichten der Waffenruhe um den Hafen von Hodeidah, der mittlerweile auch von Mitarbeitenden der Vereinten Nationen betrieben wird.
UNICEF ist weiterhin vor Ort und behandelt Kinder, die von Mangelernährung betroffen sind, bringt Trinkwasser ins Land und versucht, mit Impfungen den drohenden Epidemien entgegenzuwirken. Auch Ärzte ohne Grenzen wirkt bei der medizinischen Versorgung im Jemen mit. Außerdem unterstützt UNICEF die ärmsten Familien finanziell und klärt die Menschen über die Gefahren von Landminen und Blindgängern auf. Gerade diese werden noch lange Zeit, auch nach Ende des Krieges, eine Gefahr insbesondere für Kinder darstellen. Außerdem baut UNICEF Schulen wieder auf und zahlt das Gehalt von Lehrpersonal, da der Staat Jemen schon lange nicht mehr in der Lage ist, Gehälter für Lehrende zu zahlen. Ende 2018 war jede fünfte Schule außer Betrieb und 2 Millionen Kinder konnten nicht zur Schule gehen. Bedeutend für die Entwicklung von Konfliktregionen ist, dass nicht nur die Grundbedürfnisse der Kinder gedeckt werden, sondern auch bereits während des Konflikts in die Zukunft des Landes investiert wird, wie es z.B. mit Bildungsprogrammen der Fall ist.

Punkte zur Diskussion

Wichtig ist, dass sich das Gremium auf die Situation von Kindern und Jugendlichen im Jemen konzentriert. Resolutionen zur Implementierung der Waffenruhe in drei Häfen und zur Durchführung von Sanktionen gegen Personen, die Menschenrechte im Jemen verletzen, wurden bereits vom Sicherheitsrat verabschiedet. Auch der Menschenrechtsrat hat sich bereits häufig mit der Menschenrechtsverletzung im Jemen beschäftigt. Auf der Agenda des Sicherheitsrates für MUNBW 2020 steht nun insbesondere die Situation von Kindern und Jugendlichen im Jemen. Dabei sollte das Gremium darauf achten, nur Themen von bereits verabschiedeten Resolutionen aufzugreifen, wenn diese von unmittelbarer Wichtigkeit für die Verbesserung der Situation von Kindern und Jugendlichen im Jemen sind.
Zur Diskussion eignen sich besonders folgende Punkte. Natürlich kann das Gremium auch andere Themen, die Kinder und Jugendliche im Jemen betreffen, diskutieren.

  • Wie kann der Zugang von Kindern und Jugendlichen im Jemen zu sauberem Trinkwasser und Lebensmitteln gewährleistet werden? Was kann gegen die vorherrschende Mangelernährung und drohende Hungersnöte unternommen werden?
  • Wie kann der Zugang von Kindern und Jugendlichen im Jemen zu sanitären Anlagen und medizinischer Versorgung gesichert werden? Wie können drohende Epidemien, z.B. Cholera, verhindert oder eingedämmt werden?
  • Wie kann verhindert werden, dass die Konfliktparteien Kindersoldat*innen einsetzen?
  • Was kann der Sicherheitsrat gegen Kinderehen unternehmen?
  • Wie kann für Bildung von Kindern im Jemen gesorgt werden? Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um Kinder unterrichten zu können, sowohl in Hinsicht auf Gebäude, wie auch auf das Lehrpersonal?
  • Wie können einzelne Kinder und Jugendliche auf der Flucht besonders unterstützt werden? Welche Bedürfnisse haben sie, die Kinder und Jugendliche, die mit ihrer Familie auf der Flucht sind, nicht unbedingt haben?

Besonders hilfreiche Quellen

Wichtige Dokumente

Weitere Dokumente

Quellen

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