forum Internationale Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung

Einführung in das Thema

Fragen zu diesem Thema können Sie an Robert Wiegand ([email protected]) richten.

Hier gibt es das Handbuch zum Gremium

Einleitung

Die internationale Staatengemeinschaft beschäftigt sich schon seit vielen Jahrzehnten mit Terrorismus. Sei es in Statements, Debatten, Resolutionen, mit dessen Bekämpfung durch mehrere Staaten oder einzelne Akteur*innen, in Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen (Englisch: Non-Governmental Organisations, NGOs), auf Ebene der Vereinten Nationen (Englisch: United Nations, UN) und bilateral, durch politische Annäherung an Staatsoberhäupter und Regierungen oder mit militärischer Macht, in Zusammenarbeit mit lokalen Akteur*innen, durch wirtschaftliche Anreize – kurz in nahezu jeder denkbaren Art und Weise.
Dieses unübersichtliche Bild der internationalen Arbeit zum Thema Terrorismusbekämpfung ergibt sich insbesondere aufgrund zweier Aspekte:
Was genau Terrorismus bedeutet, wann dieser vorliegt und wie er definiert werden kann, ist nach wie vor ungeklärt. Selbst mit Blick auf internationale Rechtsprechung kann kein einheitlicher Meinungsstand oder eine klare definitorische Abgrenzung erfolgen. Weiterhin liegt ein Kernproblem der unübersichtlichen internationalen Aktivität und gleichzeitig der definitorischen Unklarheit in der Anzahl der Akteur*innen. Deren widerstreitende Standpunkte und Interessen führen zu einer sich oft diametral gegenüberstehenden Wahrnehmung verschiedener Gruppen und daraus folgend zu einer unterschiedlichen Bezeichnung und Qualifizierung dieser als Terrorist*innen. Solche einseitigen, oft wenig objektiven Ansätze können, verbunden mit der Menge an regional, national und international agierenden Gruppierungen, zu einem wahren Wirrwarr an als Terrorist*innen deklarierten Gruppen und entsprechend vielen Bekämpfungsmaßnahmen gegen Terrorismus führen.
Bevor sich mit aktuellen und brennenden Problemen auseinandergesetzt werden kann, muss also eine möglichst objektive Untersuchung der internationalen Akteur*innen, der wichtigsten Daten und der Definition von Terrorismus erfolgen.

Hintergrund und Definitionsproblematik

Der Begriff des Terrorismus stammt von dem lateinischen Wort für Schrecken, “terror”. Das lässt sogleich den Schwerpunkt der terroristischen Tätigkeit erkennen: Terrorismus ist das Handwerk des Schreckens oder Schrecken-Verbreitens und hat somit eine große psychologische Komponente. Es geht primär um das Hervorrufen von Schrecken; viel mehr jedenfalls, als es in erster Linie um militärische Erfolge geht. Gerade im 21. Jahrhundert spielt dabei die Kommunikation insbesondere über Bilder in den Medien eine entscheidende Rolle. Denn wer Terrorist*in ist und wer diese mit legitimen Mitteln oder aber mit ebenbürtigem Schrecken bekämpft, entscheidet oft nur die Wahrnehmung des Betrachters*der Betrachterin.
Terrorismus richtet sich meist gegen eine*n bestimmten Gegner*in oder verbindet sein erstrebtes Ziel oftmals mit einem*einer solchen. Diese*r soll durch die gnadenlose Vorgehensweise der Terrorist*innen in die Knie gezwungen werden.
Allerdings müssen weder Ziel, Gegner*in noch Handlungen des*der Terrorist*in nur politischer Natur sein. Vielmehr erscheint Terrorismus in sehr unterschiedlichen Ausprägungen und aufgrund unterschiedlicher Motivationen. Präsent ist insbesondere der religiöse Terrorismus, der seine Forderungen aus den Geboten der großen Weltreligionen, außerhalb dieser dann als “sektiererischer” Terrorismus, herleitet. Aber auch andere Varianten existieren, mit links- (sozialrevolutionär) oder rechtsradikal (nationalrevolutionär) motivierten Terrorist*innen, ethno-nationalistischen Terrorist*innen, die sich dem Kampf für eine Volksgruppe verschrieben haben, oder auch radikalen Tier- und Umweltschützer*innen. Außerdem verschwimmen oftmals die Grenzen verschiedener Motivationen, sodass klare Abgrenzungen nahezu nie möglich sind.
Moderner Terrorismus tritt inzwischen mit derart unterschiedlichen Motiven und Zielen auf, dass er nicht mehr grundsätzlich als Kampf einer Gruppe gegen einen bestimmten Staat definiert werden kann. Auch bezüglich der angewendeten Mittel, der Finanzierung und politischer, militärischer und ideologischer Unterstützung durch Staaten, nichtstaatliche Akteur*innen oder schlicht durch eigene kriminelle Aktivitäten sind denkbar viele Kombinationen und damit Erscheinungsformen möglich. Hinzu kommt noch die Verflechtung verschiedener terroristischer Gruppierungen und die Denunzierung einzelner Gruppen als Terrorist*innen durch ihre jeweiligen Gegner*innen, durch Staaten oder Medien.
Zusammenfassend bleibt eine einheitliche Definition von Terrorismus daher schwierig, wobei jedenfalls in den meisten Versuchen, dieser Definitionsproblematik zu begegnen, einige Merkmale wiederzufinden sind:
Terrorismus bedient sich militärischer, psychologischer oder anderer Art von – oftmals illegaler – Gewaltanwendung, zur Erreichung eines die Terrorgruppe einenden Ziels, wobei dieses nahezu immer die Verbreitung von Schrecken in der Bevölkerung beinhaltet, und agiert, allerdings nicht unbedingt notwendigerweise, transnational, also grenzüberschreitend.
Klar wird jedoch, dass bei der Betrachtung internationaler Zusammenarbeit zu diesem Thema verschiedene Sichtweisen und Interessenlagen nicht nur zu unterschiedlichen Lösungsansätzen, sondern auch schon zu unterschiedlichen Definitionen des Ausgangsproblems führen können. Daher muss auf internationaler Ebene vermehrt Rücksicht auf diese unterschiedlichen Blickwinkel auf den Terrorismus genommen werden.
Bevor in den folgenden Abschnitten auf Denkansätze und auf den Schwerpunkt der Debatte des Sicherheitsrates zu diesem Tagesordnungspunkt eingegangen werden wird, lohnt zunächst ein kurzer, die Feinheiten und Hintergründe bewusst ausblendender, dafür grundlegend einführender Überblick über die wichtigsten Akteur*innen, Maßnahmen und Ziele, die sich mit der internationalen Arbeit und Zusammenarbeit in Bezug auf Terrorismus beschäftigen.

Aktuelle internationale Lage

Terrorismus
Terrorismus vor den einschneidenden Anschlägen des 11. Septembers 2001 in New York war in der Wahrnehmung der Mehrheit der Menschen insbesondere durch politische Gruppierungen wie die ETA (Euskadi Ta Askatasuna, Baskenland), IRA (Irisch Republikanische Armee, Nordirland), RAF (Rote Armee Fraktion, Deutschland) oder die PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas, weitgehend international) geprägt und trat insbesondere als politischer Freiheitskampf gegen einzelne Staaten in Erscheinung. Militärisch und politisch lag der Schwerpunkt der globalen terroristischen Aktivität allerdings eher auf dem internationalen Terrorismus, der sich auf die Rivalität der Supermächte USA und der Sowjetunion stütze und in deren Interessen tätig war. Im Laufe der letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts wandelte sich der Terrorismus von diesem internationalen, insbesondere von einzelnen Staaten unterstützen Terrorismus zum sogenannten transnationalen Terrorismus. Dieser zeichnet sich durch seine weniger starke Bindung an Staaten aus, sowohl im Bezug auf Unterstützung durch diese als auch im Bezug auf seinen Aktionsradius. Gerade al-Qaida zeigt als prominentes Beispiel den Wechsel dieser Formen des Terrorismus, die sich von einer in den 1980er-Jahren ehemals staatengelenkten und geförderten Organisation zu einer unabhängigen und länderübergreifenden wandelte.
Im 21. Jahrhundert tritt der Terrorismus bisher in erster Linie in Form des transnationalen Terrorismus auf. Das momentan prominenteste Beispiel ist der sogenannte Islamische Staat, der über den Nahen Osten hinaus auch gezielt mit kleineren Aktionen in nahezu allen Regionen der Erde, also transnational, agiert. Ebenso stammen auch die Terrorist*innen aus den verschiedensten Ländern und schließen sich teils auch in ihren Heimatstaaten zu terroristischen Zellen zusammen. Ein weiteres prominentes Beispiel, das seinen Aktionsraum nicht primär im Nahen Osten hat, ist Boko Haram in Afrika. Alles in allem hat die Unübersichtlichkeit über Aktive, ihre Gruppierungen, deren Verbindungen und ihre Einsatzorte und -möglichkeiten stark zugenommen.

Terrorismusbekämpfung
Aufgrund dieser Entwicklungen erfolgte eine Weiterentwicklung des Umgangs mit Terrorismus. Insbesondere der von den Vereinigten Staaten von Amerika in Folge der Anschläge im Jahr 2001 ausgerufene “Krieg gegen den Terror” markiert den Beginn des modernen Antiterrorkampfes. Dabei schlossen sich damals mehrere Staaten zusammen, um militärisch gegen Terrorist*innen vorzugehen; ein Vorgehen, das auch gegen den sogenannten Islamischen Staat Anwendung fand. Auch national rüsteten sich Staaten seitdem mit eigenen Maßnahmen und Gesetzen gegen den Terrorismus.
Über solche Maßnahmen hinaus intensivierte sich auch die internationale und transnationale Kooperation zur Terrorismusbekämpfung. Dabei spielen der Austausch von Informationen, die nichtmilitärischen Aspekte des Kampfes, eine entscheidende Rolle. Ein wichtiges Zwischenergebnis des globales Kampfes gegen den Terror war die Übereinkunft über die Strategie gegen den Terrorismus, die die Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahr 2006 verabschiedete. Diese basiert auf vier Säulen: Der Widmung der Bedingungen, die Terrorismus förderlich sind; Terrorismus-Prävention und -bekämpfung; Unterstützung von Staaten und die Rolle der Vereinten Nationen; Garantie der Menschenrechte und des Rechtsstaats.
Seitdem wurden im Organisationsnetzwerk der UN verschiedene Komitees gegründet, die sich mit der Terrorismusbekämpfung beschäftigen. Dazu gehören insbesondere:

  • Counter-Terrorism Implementation Task Force (CTITF): Schwerpunkt auf Koordination innerhalb der UN und ihrer Mitgliedstaaten
  • UN Counter Terrorism Centre (UNCCT): unterstützt Staaten und betreibt eigene Projekte im Rahmen der Strategie gegen den Terror von 2006
  • Ausschuss zur Bekämpfung des Terrorismus (ABT): Schwerpunkt auf Prävention terroristischer Attacken

Den vorläufigen Höhepunkt dieser intensivierten Arbeit der UN bildet die Schaffung des “United Nations Office of Counter-Terrorism”, für dessen Leitung António Guterres eine eigene Stelle für eine*n Untergeneralsekretär*in schuf. Wichtiges Ziel des neuen “Offices” ist dabei insbesondere die Verbesserung der Zusammenarbeit der einzelnen Organe, Komitees, Taskforces und sonstiger Akteur*innen innerhalb der UN.

Probleme, Lösungsansätze und Punkte zur Diskussion

Gerade an diesem Ziel des neuen “Offices” zeigt sich ein zentrales Problem der globalen Terrorismusbekämpfung. Die mangelnde Übersichtlichkeit und Kooperation innerhalb der UN und ihrer Mitgliedstaaten wirkt sich auch auf die internationale Tätigkeit aller Akteur*innen aus. Zwar konnten der Schwerpunkt und die verbundene Neuorganisation des Antiterrorkampfes unter António Guterres schon zu Verbesserungen führen; dies konnte aber (noch) nicht die bestehenden Probleme lösen.
Hierin sollte der Schwerpunkt der Debatte des Sicherheitsrats liegen. Sie sollte sich nicht mit den Einzelheiten der tatsächlichen Terrorismusbekämpfung beschäftigen, sondern mit den Problemen der Kooperation innerhalb und außerhalb der UN. Dabei sollte insbesondere auch bedacht werden, dass weitere UN-Organisationen, die neu geschaffen werden, um sich mit der Problematik von Neuem zu befassen, das Kooperationsproblem im Ergebnis nur verschlimmern würden. Insofern sollte der Sicherheitsrat eigene Lösungen zur Verbesserung der bisherigen Zusammenarbeit finden.
Der Sicherheitsrat sollte sich dabei damit auseinandersetzen, wie NGOs besser in die bisherige Arbeit der Staaten eingebunden werden können. Auch gilt es, die neuen Strukturen innerhalb der UN präsenter zu machen. Ist dabei möglicherweise eine Erweiterung der Mitglieder der neuen “Offices” und “Taskforces” nötig? Wie kann garantiert werden, dass sowohl bereits international sehr aktiv den Terror bekämpfende Nationen gleichberechtigt mit bisher wenig oder nur national agierenden Nationen zusammenarbeiten? Können die Synergieeffekte (also positive Effekte, die sich aus der Zusammenarbeit ergeben) aus einer verstärkten Einbindung der primär vom Terror betroffenen Staaten ausreichend Anreize für eine solche Zusammenarbeit schaffen? Inwiefern kann der Sicherheitsrat diese Synergieeffekte fördern? Welche weiteren Maßnahmen können getroffen werden, um die internationale Zusammenarbeit im Rahmen der UN zu verbessern?
Außerdem sollte der Sicherheitsrat sich mit der 2006 geschaffenen Strategie zur Terrorismusbekämpfung auseinandersetzen und sich der Frage stellen, inwiefern diese überarbeitet werden könnte und müsste. Als Ausgangspunkt dieser Überlegungen kann die bisherige Kritik an der Strategie dienen:
Aktuell wird die 2006 publizierte Strategie alle zwei Jahre, zuletzt 2018, neu von der Generalversammlung der UN untersucht und überprüft. Dabei wurde zuletzt ein Schwerpunkt bereits auf das Schicksal von aus dem Gebiet des sogenannten Islamischen Staates Heimkehrenden und auf den Umgang mit diesen eingegangen. Allerdings zeigt sich hier ein erschreckender Mangel an kohärentem international koordiniertem Vorgehen und gemeinsamen Tätigwerden. Dies zeigt, inwiefern selbst bei einem so medienwirksamen Thema wie dem der Heimkehrenden keine ausreichende internationale Koordination herrscht.
Der Sicherheitsrat sollte sich der Frage stellen, wie bei den regelmäßigen Überprüfungen einerseits Schwerpunkte anhand der aktuellen Lage und des daraus folgenden Bedarfs an Beschäftigung mit Aktuellem gesetzt werden können und auf der anderen Seite die Überprüfungen und auch die Strategie an sich nicht ihr eigentliches Ziel der verbesserten Koordination in allen Fragen der globalen Terrorismusbekämpfung aus den Augen verliert. Wie können die Überprüfungen als Instrument in Zukunft besser eingesetzt werden? Ist ein zweijähriger Turnus, verbunden mit großem Aufwand und hunderten Delegierten, effizient genug, oder gibt es Verbesserungsbedarf?
Weiterhin blieb die Zusammenarbeit im Bereich der präventiven Extremismusbekämpfung und der Arbeit im nicht-militärischen Bereich mangelhaft. Der Sicherheitsrat muss sich nun dringend mit den herrschenden Bedingungen beschäftigen, die zur Radikalisierung insbesondere auch der Jugend führen. Welche gemeinsamen Lösungen können dort gefunden werden? Wie können lokale Akteur*innen, Glaubensgemeinschaften und NGOs wirksam und gemeinsam aktiv werden? Können die vorhandenen UN-Organe oder “Offices” besser zur Koordination eingebunden werden? Wie könnte die präventive und lokale Arbeit den entscheidenden Stellenwert im Rahmen des Antiterrorkampfes erhalten, der ihr möglicherweise zusteht?
Auch der Umgang mit Menschenrechten im Namen der Terrorismusbekämpfung bleibt zu verbessern. Schließlich müssen die UN auch beim Kampf gegen den Terror stets die Wächterin der Menschenrechte Einzelner und von Minderheiten sein. Wie kann der Sicherheitsrat aktiv eingreifen, um die Lage bezüglich der Menschenrechte zu verbessern? Welche UN-Organe können dabei besser eingebunden werden? Kann die Strategie von 2006 einen stärkeren Bezug zur Menschenrechtslage herstellen?
Zusammenfassend sollte der Sicherheitsrat bei seiner anstehenden Arbeit einen Schwerpunkt auf die globale und lokale Zusammenarbeit, auch abseits nur der Kooperation unter den UN-Mitgliedsstaaten, legen. Außerdem muss die 2006 publizierte Strategie auf ihre Wirksamkeit selbst und ihre Weiterentwicklung über die Jahre überprüft werden und daraufhin ein wegweisendes Konzept für die Zukunft erdacht werden. Außerdem sollte die präventive Arbeit besonders in Krisengebieten, aber auch darüber hinaus, stärker ins Zentrum der Aufmerksamkeit und die Arbeit der UN und ihrer Mitgliedstaaten rücken.

Besonders hilfreiche Quellen

Wichtige Dokumente

Weitere Quellen

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