forum Rolle von Frauen im Katastrophenschutz

Einführung in das Thema

Fragen zu diesem Thema können Sie an Barbara Hauer ([email protected]) richten.

Hier gibt es das Handbuch zum Gremium

Einleitung

Katastrophensituationen wie das Erdbeben in Haiti 2010, der Reaktorunfall in Fukushima oder der Hurrikan Irma stellen Bedrohungen für eine Vielzahl von Personen dar und schaffen Situationen, in denen Menschen besonders auf die Hilfe von Staaten und Organisationen angewiesen sind. Auch durch den Klimawandel, der eine Verstärkung der Wetterphänomene zur Folge hat, wird die Relevanz des Katastrophenschutzes weiter erhöht.
Frauen spielen dabei eine größere Rolle im Katastrophenschutz als landläufig anerkannt wird. Gleichzeitig sind Frauen und Mädchen besonders gefährdet: Strukturelle Benachteiligung, auch im Hinblick auf sozio-ökonomische Faktoren, erschwert ihnen den Zugang zu Ressourcen, Kompetenzbildung und den Informationen, die für eine angemessene Vorbereitung auf Katastrophen und Resilienzbildung erforderlich wären.
Als Ausschuss für soziale, humanitäre und kulturelle Fragen gehören zum Kompetenzbereich des Hauptausschusses 3 auch die Themenbereiche Menschenrechte, Gleichstellung von Frauen und das Recht zur Selbstbestimmung, die hier berührt werden. Besondere Relevanz hat die Stärkung der Rolle von Frauen im Katastrophenschutz auch im Hinblick auf die Ziele für nachhaltige Entwicklung der UN (SDGs), in denen das Ziel Geschlechtergerechtigkeit ausdrücklich genannt ist.

Hintergrund

Ziel des Katastrophenschutzes ist es, die Risiken und Folgen von Katastrophen so weit wie möglich abzuschwächen. Als Katastrophe wird eine Situation bezeichnet, in der das Leben und/oder das Wohlbefinden von Menschen durch eine Naturkatastrophe, einen Konflikt oder eine Gesundheitsbedrohung in Gefahr sind oder waren, sofern keine sofortige und angemessene Reaktion auf die Situation erfolgt. Zudem erfordert eine solche Katastrophensituation besondere Maßnahmen und Reaktionen. (Quelle: IRC)
Der Begriff Katastrophenschutz umschreibt das Wissen und die Kapazitäten, die von Regierungen, Hilfsorganisationen, Gemeinschaften und Individuen entwickelt werden um Katastrophen zu bewältigen. (Quelle: UNOCHA) Dieser lässt sich in vier Phasen unterteilen: (1.) Vorbereitung, (2.) Bewältigung [der Katastrophe], (3.) Nachbereitung und (4.) Vorsorge.
Dabei wird eine besondere Aufmerksamkeit auf Personengruppen oder Objekte (Schutzgüter) gelegt, die aufgrund ihrer Charakteristika besonders verwundbar sind. Charakteristika von Personen, die zu einer besonderen Vulnerabiliät (Verwundbarkeit/ Verletzlichkeit) führen, können beispielsweise Geschlecht, Alter, ethnische Zugehörigkeit, Behinderungen und sozio-ökonomische Stellung sein, durch die die Fähigkeit dieser Personen, mit einer Katastrophe und ihren Auswirkungen umzugehen, eingeschränkt wird.
Im Gegensatz dazu bezeichnet Resilienz die Fähigkeit eines Systems, Ereignissen zu widerstehen bzw. sich an diese anzupassen und dabei seine Funktionsfähigkeit zu erhalten oder möglichst schnell wieder zu erlangen. (Quelle: BBK)

Vulnerabilität von Frauen in Katastrophensituationen

Statistisch gesehen ist die Wahrscheinlichkeit von Frauen und Kindern, bei einer Katastrophe zu Tode zu kommen, 14 Mal höher als die von Männern. Frauen und Kinder machen zudem 75% der Displaced Persons in Katastrophensituationen aus. Gleichzeitig wird ohne die Einbindung von Frauen das Potential von Katastrophenschutzmaßnahmen nicht voll ausgeschöpft. Aktuelle Beispiele zeigen den Unterschied, den die Einbindung von Frauen hat:
Ein Vorbild ist der Küstenstaat Bangladesch, der bereits mehrfach von starken Wirbelstürmen betroffen war und sein Vorbereitungsprogramm stärker auf Frauen ausgerichtet hat, indem diese an der Gestaltung von Frühwarnsystemen, dem Bau von Zyklonschutzräumen und der Sensibilisierung der Bevölkerung beteiligt sind. Dadurch ist es Bangladesch gelungen, das Verhältnis von weiblichen zu männlichen Todesfällen um fast zwei Drittel zu senken.
Auch Malaysia möchte Frauen besser integrieren, um das Katastrophenrisiko des Landes zu verringern. Dafür sollen 50% der Führungspositionen im Katastrophenrisikomanagement Malaysias mit Frauen besetzt werden. Sierra Leone und Jordanien sind weitere Staaten, die bestrebt sind, Parität und Inklusion umzusetzen und damit Frauen nicht nur als Opfer, sondern auch auch als wichtige Kraft im Katastrophenschutz wahrzunehmen.
Durch Katastrophen werden bestehende strukturelle Ungleichheiten verstärkt. Frauen, die schon vor der Katastrophe von Faktoren wie Einkommensunterschieden, einer schwächeren rechtlichen Stellung und Diskriminierung betroffen waren, sind auch in der Phase nach der Katastrophe besonders von einem erschwerten Zugang zu Hilfsmaßnahmen und anderen Ressourcen betroffen.
Abgesehen davon, dass eine Einbindung von Frauen in den Katastrophenschutz schon aus Gründen der Gerechtigkeit angemessen wäre (Nothing about me without me), schlägt sich eine mangelnde Einbindung von Frauen auch in der unzureichenden Beachtung spezieller Schutzbedürfnisse von Frauen nieder. So sind beispielsweise Notunterkünfte nachteilig konstruiert, indem sie das Risiko von Frauen, Opfer sexualisierter Gewalt zu werden, erhöhen. Zudem werden beispielsweise besondere Bedürfnisse von Frauen im Bereich Hygiene und Gesundheit missachtet.
Des Weiteren übernehmen Frauen in der Folge der Katastrophe auf informellem Wege bereits weitreichende Aufgaben; insbesondere sind sie oft diejenigen, die sich um weitere besonders vulnerable Gruppen wie Alte, Kranke und Kinder kümmern. Auch dies erhöht ihre eigene Verwundbarkeit. Aber auch im Bereich der Resilienzbildung spielen Frauen in vielen Gesellschaften eine wichtige Rolle, indem sie für die Haushaltsführung verantwortlich sind. Dementsprechend können Frauen zu einer ganzheitlicheren Perspektive des Katastrophenschutzes beitragen. Dadurch besteht ein großes Potential, die Maßnahmen des Katastrophenschutzes zu verbessern.

UN-Institutionen im Katastrophenschutz

Der Themenbereich gender-sensitiven Katastrophenmanagements fällt in die Kompetenzbereiche unterschiedlicher Institutionen. Auch deshalb ist die Kooperation zwischen verschiedenen Akteur*innen auf diesem Feld besonders wichtig.
Das Sekretariat der Vereinten Nationen für Risikominderung (UNISDR) hat die Aufgabe, globale und regionale Aktionen zur Risikoverminderung (Disaster Risk Reduction) zu koordinieren und zu vereinfachen, mit dem Ziel, die Resilienz zu stärken. Dafür arbeitet des UNISDR mit Regierungen auf staatlicher und lokaler Ebene zusammen.
Im Bereich der humanitären Hilfe ist der ständige interinstitutionelle Ausschuss (IASC) für die Koordination zwischen den UN-Institutionen, aber auch nach außen zu zivilgesellschaftlichen Akteuren verantwortlich. Der IASC hat zudem die, auch im Katastrophenmanagement wichtigen, Bereiche der humanitären Hilfe einzelnen UN-Institutionen zugeordnet. (cluster approach, siehe Grafik unten)

Wichtige Abkommen und Verträge

Die dem Katastrophenschutz zugrundeliegenden Resolutionen sind das Hyogo Framework und die Nachfolgeresolution, das Sendai Framework.
Das Hyogo Framework for Action wurde 2005 in Japan mit einer Laufzeit von 10 Jahren verabschiedet. Neben generellen Strategien und Maßnahmen zum Katastrophenmanagement und zur Resilienzbildung bekennen sich die Staaten im Hyogo Framework auch zur Notwendigkeit der Sicherstellung gleicher Möglichkeiten der Partizipation von Frauen in diesen Prozessen.
Das Sendai Framework for Disaster Risk Reduction (2015-2030) enthält vier Kernaufgaben, um neue und bestehende Katastrophenrisiken zu vermeiden: (i) Katastrophenrisiken verstehen; (ii) Katastrophenmanagement stärken; (iii) Resilienz stärken und (iv) die Katastrophenvorbereitung verbessern, um eine effizientere Reaktion zu ermöglichen und zudem die bestehenden Strukturen beim Wiederaufbau weiter zu verbessern und ihre Resilienz zu erhöhen (“Build Back Better”).
Des Weiteren erkennt das Sendai Framework auch die Notwendigkeit der besonderen Einbindung von “Frauen, Kindern und Jugendlichen, behinderten Personen, armen Personen, Migranten, [...]” an. Gleichwohl werden am Sendai Framework einige Punkte als unzureichend bemängelt. Speziell im Hinblick auf eine Genderperspektive fehlen konkrete Maßnahmen, die sich auf die Einbindung von Frauen und ihren Bedürfnissen fokussieren. Auf der Regionalkonferenz Asien-Pazifik zum Thema Gender und Disaster Risk Reduction wurden deshalb die Ha Noi Recommendations for Action on Gender and Disaster Risk Reduction verabschiedet, die die Maßnahmen in vier Bereichen um eine Genderperspektive erweitern.
Weitere Resolutionen, die die Vulnerabilität, aber auch die Rolle von Frauen im Katastrophenschutz anerkennen, sind beispielsweise die Resolutionen 56/2 und 58/2 der UN-Frauenrechtskommission.
Auch im Hinblick auf den Klimaschutz gibt es Empfehlungen zu einer besseren Einbindung von Frauen in den Katastrophenschutz. Die General Recommendation No. 37 on Gender-related dimensions of disaster risk reduction in the context of climate change des Ausschusses für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau fasst diese Empfehlungen zusammen.

Probleme und Lösungsansätze

Während die Leistungen und Relevanz von Frauen im Katastrophenschutz bereits in einigen Abkommen gewürdigt werden, spiegelt sich dies in der Umsetzung von entsprechenden Maßnahmen häufig nicht wider. Zwar haben 2014 bereits mehr als 40 Staaten gender-inklusive Maßnahmen in ihren nationalen Aktionsplänen verankert und auch das UNISDR erreicht die UN-internen Vorgaben zur Einbindung von Frauen, es fehlt jedoch an einem Abkommen auf globaler Ebene, das die konkrete Umsetzung eines ganzheitlichen, gender-sensitiven Ansatzes beinhaltet.
Dabei gibt es eine große Bandbreite von Maßnahmen, die nicht nur von Staaten und internationalen Organisationen, sondern auch von NGOs und auf regionaler Basis umgesetzt werden können.
Sinnvoll wäre ein Konzept, das Information und Aufklärung über die Relevanz der Rolle von Frauen im Katastrophenschutz ebenso umfasst wie eine verstärkte Einbindung von Frauen in Entscheidungsprozesse und die Erweiterung bereits bestehender Maßnahmen, um einen frauenspezifischen Blickwinkel.
Obwohl die Leistungen und die Relevanz von Frauen im Katastrophenschutz auf staatlicher Ebene gewürdigt wurden, fehlt an vielen Stellen noch die erforderliche Sensibilisierung für dieses Thema. Abhilfe können Aufklärungsprogramme schaffen. Diese können sich nicht nur auf die staatlichen Programme beschränken, sondern selbstverständlich auch von und für NGOs und lokale Initiativen geleistet werden. Eine besondere Bedeutung kommt dabei den Gemeinden vor Ort zu, da dort die Problematik besonders wenig präsent ist.
Einige Länder haben zudem bereits Katastrophenschutzmaßnahmen implementiert, die sich speziell an Frauen richten. Beispielsweise werden in Marokko Frauen zu Natural-Resource-Managerinnen ausgebildet und im Jemen arbeiten Frauen im Bereich der Wasseraufbereitung. Diese Projekte sind jedoch nicht abschließend, weitere denkbare Maßnahmen sind beispielsweise Schulungen, Outreach-Programme und Vernetzungsangebote auf lokaler Ebene. Auch die Sensibilisierung von Männern ist ein denkbarer Ansatzpunkt.
Ziel aller Maßnahmen sollte eine Einbindung von Frauen auf allen strukturellen Ebenen (national bis lokal) und in allen Stadien des Katastrophenschutzes sein.
Der Erreichung dieses Ziels stehen verschiedene Hürden im Weg. Eine mangelnde Einbindung in Entscheidungsprozesse kann kulturell bedingt sein, oft sind Frauen zudem durch mangelnde öffentliche Präsenz nur schwer erreichbar. Zwischen der kulturell anerkannten Rolle und dem selbstständigen Handeln von Frauen besteht häufig ein Spannungsfeld. Gleichzeitig liegt hier jedoch auch die Möglichkeit für ein langfristiges Empowerment von Frauen auch über den Katastrophenschutz hinaus.
Neben einer verstärkten Einbindung von Frauen in Entscheidungsprozesse ist auch der Fokus auf genderspezifische Aspekte bereits bestehender Maßnahmen eine Möglichkeit, Frauen besser vor Katastrophen zu schützen. Dies beginnt bereits in der Vorbereitung auf Katastrophensituationen, beispielsweise mit der Erhebung von Daten, die auch das spezielle Risiko von besonders vulnerablen Gruppen erfassen, um besonders sensible Bereiche zu lokalisieren. Aber auch im Bereich der Hilfsmaßnahmen sollten diskriminierende Faktoren erkannt und beseitigt werden.
Dabei gibt es auch bereits institutionalisierte Bestrebungen, Genderperspektiven einzubinden. Ein Beispiel ist das IASC Gender Capacity Stand-by Project (GenCap) im Bereich der humanitären Hilfe. Das GenCap Project besteht aus einem Pool von Expert*innen, die kurzfristig entsandt werden können, um UN-Initiativen in Katastrophensituationen im Hinblick auf gender-sensitive Maßnahmen zu beraten.
Eine Resolution könnte die Einbindung von Überprüfungsmechanismen der Maßnahmen ebenso beinhalten wie spezielle Verbesserungsvorschläge.

Weitere mögliche Inhalte einer Resolution

Gerade im Bereich des Katastrophenschutzes ist die Arbeit von Hilfsorganisationen und anderen NGOs von enormer Bedeutung. Diese stellen daher auch ein großes Potential für die Einbindung von Frauen dar und können in dieser Hinsicht auch Vorbild für staatliche Strukturen sein. Die Arbeit von NGOs anzuerkennen und die Möglichkeiten, staatliche Maßnahmen sinnvoll mit nichtstaatlichen Maßnahmen zu kombinieren, sind dementsprechend auch mögliche Gegenstände einer Resolution.

Punkte zur Diskussion

  • Wie kann die Ungleichheit von Frauen in Katastrophensituationen reduziert werden?
  • Wie erfolgreich und umfassend sind die bestehenden Bestrebungen zur besseren Einbindung von Frauen und welche Anpassungen und Erweiterungen sind sinnvoll?
  • Welche neuen Maßnahmen auf UN-Ebene, auf innerstaatlicher Ebene und auf lokaler Ebene sollten getroffen werden?
  • Wie können bestehende Schwierigkeiten bei der Umsetzung überwunden werden?
  • Welche Rolle können NGOs spielen?

Besonders hilfreiche Quellen

Wichtige Dokumente

Quellen und weiterführende Links

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