forum Aktuelle Probleme bei der Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsziele

Einführung in das Thema

Fragen zu diesem Thema können Sie an Katharina Lange ([email protected]) richten.

Hier gibt es das Handbuch zum Gremium

Einleitung

Hunger, Armut, Flucht, Klimakatastrophen – die großen Herausforderungen unserer Zeit lassen sich schon lange nicht mehr auf nationaler Ebene betrachten. Nicht nur verweben sie staatliche, wirtschaftliche und humanitäre Interessen weit über die Landesgrenzen hinaus, sie bedingen sich auch untereinander. Nachhaltig ist es nicht, lokale Auswirkungen zu bekämpfen, wenn die Wurzeln der Probleme nicht angegangen werden.
Genau das ist der Hintergrund der Nachhaltigen Entwicklungsziele (engl. Sustainable Development Goals, SDG), die 2015 von der Generalversammlung verabschiedet wurden. Der Blick auf das große Ganze, auf die Zusammenhänge und die Erklärung der Mitgliedstaaten, alle zur Umsetzung dieser Nachhaltigen Entwicklungsziele beizutragen.
Vier Jahre sind nun seit der Verabschiedung der SDGs vergangen. Natürlich ist es unmöglich, dass sich die Welt in dieser Zeit in eine Utopie für alle Menschen verwandelt. Doch was ist bereits konkret geschehen? Welche Faktoren haben sich bisher als Hindernisse erwiesen? Und welche Lehren kann die internationale Staatengemeinschaft aus den letzten vier Jahren ziehen, um neue Ansätze für die weitere Umsetzung der Entwicklungsziele zu finden und zum Gelingen der sogenannten Agenda 2030 beizutragen? Das sind die Fragestellungen, mit denen sich die Generalversammlung nun auseinandersetzen soll.

Hintergrund und Grundsätzliches

Das “Vorgängermodell” der Nachhaltigen Entwicklungsziele wurde im Jahr 2000 beschlossen. Wie die SDGs waren auch die MDGs (Millenniumsentwicklungsziele, engl. Millennium Development Goals) ein auf 15 Jahre beschränkter Aktionsplan zur Schaffung einer gerechteren, friedlicheren Welt, in der jede*r gut und gesund leben können soll.
Der Fokus der sieben Millenniumsentwicklungsziele lag stark auf den Entwicklungsländern und drückt implizit eine Zweiteilung der internationalen Staatengemeinschaft aus. Auf der Rio+20 Konferenz der Vereinten Nationen im Jahr gestanden sich die Regierungen ein, dass diese Sichtweise mittlerweile veraltet ist. Statt lediglich vom globalen Süden Entwicklung zu verlangen, wollte man in Zukunft jeden Staat in die Verantwortung ziehen.
In Folge der Diskussion über die Zukunft der Millenniumsentwicklungsziele rief der damalige Generalsekretär Ban Ki-moon das High-Level Panel of Eminent Persons on the Post-2015 Development Agenda ins Leben. Nach einem Jahr der Verhandlungen und der Abstimmung mit zivilgesellschaftlichen Organisationen legte dieses Panel im Juni 2013 Vorschläge für die Post-2015 Agenda vor.
Im März 2013 wurde die Offene Arbeitsgruppe (engl. Open Working Group, OWG) von der Generalversammlung eingesetzt. Die OWG verabschiedete schließlich im Juli 2014 eine Ausarbeitung der 17 Nachhaltigen Entwicklungsziele mit insgesamt 169 Zielvorgaben, die einen Fortschritt in diesem Bereich messbar machen sollten. Dabei wurden die MDGs nicht nur um weitere Punkte erweitert (diese umfassten nämlich nur acht konkrete Ziele), sondern auch komplexer und ausführlicher dargestellt.
Parallel zur Arbeit der OWG beschäftigte sich der Expertenausschuss ICESDF (engl. Intergovernmental Committee of Experts on Sustainable Development Financing) mit der Frage der Finanzierung der einzelnen Ziele.
Diese drei Jahre, in denen die thematischen und strukturellen Linien der Nachhaltigen Entwicklungsziele verhandelt und ausgearbeitet worden waren, mündeten schließlich in dem Dokument “Transformation unserer Welt: Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung”.
Die Absicht, jede*n innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft mit in die Verantwortung zu ziehen, wird direkt in der Präambel dieser Agenda 2030 ausgedrückt: “All countries and all stakeholders, acting in collaborative partnership, will implement this plan.”
Um die globale Bedeutung und die Verantwortung jedes*jeder Einzelnen zu verdeutlichen, wurde vor der Verabschiedung der SDGs durch die Generalversammlung die Reihenfolge der SDGs zur freien Abstimmung für jeden Menschen auf dieser Welt gegeben. Über die Kampagne “My world survey” wählten Menschen in allen Ländern diejenigen sechs Punkte, die für sie am meisten bedeuteten. Auch wenn die Reihenfolge nun seit vier Jahren beschlossen ist, kann noch immer online darüber abgestimmt werden, welche der Ziele die größte Rolle im eigenen Leben und im Leben der eigenen Familie spielen – und man kann seine Einschätzung abgeben, wie sich diese Ziele im vergangenen Jahr entwickelt haben (Zur Umfrage: https://myworld2030.org/).
Obwohl jedes der Ziele mit jedem anderen im Zusammenhang steht, kann man die siebzehn Nachhaltigkeitsziele grob in fünf Kategorien (aufgrund der englischen Bezeichnungen auch die fünf “P’s” genannt) aufteilen.
Zum Überbegriff der Würde des Menschen (“People”) lassen sich die Ziele Armuts- und Hungerbekämpfung, Gesundheit, Bildung, Geschlechtergleichheit, sauberes Wasser und Sanitätseinrichtungen sowie bezahlbare und saubere Energie zuordnen.
Unter die Forderung nach Wohlstand (“Prosperity”) für alle fallen die Ziele menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum, Industrie, Innovation und Infrastruktur, weniger Ungleichheiten, nachhaltige Städte und Gemeinden sowie nachhaltiger Konsum und Produktion.
Die Ziele Maßnahmen zum Klimaschutz, Leben unter Wasser und Leben am Land betreffen die Bewahrung unseres Planeten. Mit Ziel 16: Friede, Gerechtigkeit und starke Institutionen kommt “Peace” ins Spiel und das letzte Ziel spricht von einer Verbundenheit (“Partnership”) aller: Eine Partnerschaft zur Erreichung ebendieser Ziele.
Eine Aufstellung der siebzehn Nachhaltigkeitszielen ist von den Vereinten Nationen auf der folgenden Website zusammengestellt worden: https://sustainabledevelopment.un.org/sdgs.

Aktuelle Probleme und Lösungsansätze

Umsetzung wird nicht in ausreichendem Maße durchgeführt 
Wie es Ziel 17 der Agenda 2030 fordert, wird regelmäßig Zwischenbilanz über die Umsetzung der SDGs gezogen.
Die Ergebnisse der SDG-Reports sind ernüchternd: Kein einziges Land ist auf einem guten Weg, die Ziele bis zum Jahr 2030 zu erfüllen. Am besten stehen dabei noch die Industrieländer da – gleichzeitig verschärfen diese aber durch Konsum und Lebensstandard die globale Situation noch weiter.
“Den historischen Versprechen sind kaum Taten gefolgt. Gerade im Bereich Klimaschutz oder nachhaltiger Konsum sind die OECD Länder weit entfernt von den Zusagen ihrer Regierungschefs” – So Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung, welche Studien zum Grad der Umsetzung der SDGs durchführt.
Zur Messung des Fortschritts wurde eigens ein SDG-Index von der Bertelsmann-Stiftung und dem SDSN (engl. Sustainable Development Solutions Network) entwickelt. Basierend auf den Daten, die 2015 vorlagen, wurde ein initialer Stand für jedes einzelne Land bezüglich der 17 SDGs ermittelt. Durch den Index ist es nun möglich, den Entwicklungsstand der Umsetzung der SDGs gemessen an der Ausgangslage des jeweiligen Landes zu bestimmen.
Dabei wurden für jedes der 17 Ziele mindestens ein, meist mehrere Indikatoren definiert, die eine Überprüfung des Ziels ermöglichen. Diese Indikatoren wurden zum Großteil bei der Ausarbeitung der SDGs mit benannt. Sind nicht ausreichend viele Indikatoren erarbeitet worden, so definierten die Bertelsmann-Stiftung und das SDSN eigene Indikatoren – in Absprache mit internationalen Organisationen sowie Statistik-Zentren.
Über statistische Datenauswertung werden für jeden Indikator Zahlenwerte ermittelt. Je nachdem, wie gut oder schlecht sich ein Land in dem jeweiligen Ziel entwickelt hat, hat der einzelne Zahlenwert einen positiven oder negativen Einfluss auf das Gesamtergebnis. Durch diese Indexierung ist es möglich, für einzelne Länder genau zu zeigen, an welchen Stellen und in welchem Umfang noch Nachholbedarf besteht.
Was sich in den Statistiken zeigt, ist, dass nur die wenigsten Staaten eine umfassend positive Entwicklung bei allen Zielen aufzeigen. In den meisten Staaten wird die Verbesserung eines oder einiger weniger Ziele vorangetrieben, während die Entwicklung der anderen Ziele stagniert, also dass statt Fortschritt Stillstand herrscht. In einzelnen Fällen zeigen die Indikatoren einen Rückschritt bei einzelnen Zielen.

Fehlendes Bewusstsein für die SDGs
Ähnlich wie zur Bestimmung der Reihenfolge wurde auch zur ersten Einschätzung der Umsetzung bis zum Frühjahr 2019 wieder eine weltweite Umfrage in Auftrag gegeben, die sogenannte Global Survey. In erster Linie war diese Umfrage auch dazu ins Leben gerufen worden, um ein Bewusstsein für die SDGs in der Bevölkerung aufzubauen und so die notwendigen Entscheidungen im Prozess hin zu einer nachhaltigeren Welt zu beschleunigen. Dabei landeten weltweit immer wieder “Hochwertige Bildung” und “Gesundheit und Wohlergehen” auf den ersten Plätzen, wobei der Punkt zum Klimawandel je nach Region unterschiedlich priorisiert wird. Während in Nordamerika 65% der Befragten dieses Ziel unter die Top sechs zählten, taten dies beispielsweise in Afrika nur 28%.
Die Hauptaussage dieser Umfrage ist aber eine andere: Das Bewusstsein für die Nachhaltigen Entwicklungsziele ist sehr gering. An der Umfrage nahmen weltweit 26.000 Menschen teil und von diesen wenigen gaben auch ungefähr 50% an, sich der Nachhaltigen Entwicklungsziele nicht bewusst zu sein.
In Deutschland und Frankreich wissen nur etwa 7-8% der Menschen überhaupt von der Existenz der SDGs, geschweige denn, was genau es damit auf sich hat. Der nationale politische Diskurs zu den Entwicklungszielen kommt zu kurz oder findet erst gar nicht statt. Damit sich politisch aber etwas ändert und die nächsten Schritte zur Erreichung der Ziele unternommen werden, muss ein solches Interesse in der Bevölkerung gegeben sein.
Seit dem Inkrafttreten der Agenda 2030 wurden in vielen Ländern Informationskampagnen ins Leben gerufen, die genau dieses Problem angehen und die Bevölkerung über die Nachhaltigkeitsziele aufklären sollen. Wie vergangene Umfragen aber zeigen, ist hier noch sehr viel Luft nach oben. Es zeigte sich aber auch: Auch wenn den meisten Menschen die SDGs unbekannt sind – das Konzept der Nachhaltigkeit, was hinter diesen Zielen steckt, ist den meisten sehr wohl bewusst und von Bedeutung.

Probleme an der Konzeption
Die 17 Ziele der Agenda 2030 sind als Aktionsplan gedacht, aber in einem solch detaillierten Maß ausgearbeitet, dass sie oft als zu komplex wahrgenommen werden.
Auch wird immer wieder Kritik laut, dass die SDGs stark von einem anglo-eurozentrischen Weltverständnis geprägt seien. So wird beispielsweise ein ständiges Wirtschaftswachstum für jedes einzelne Land als unabdingbar proklamiert, was mit den Wirtschaftskonzepten oder kulturellen Gegebenheiten einiger Staaten nicht wirklich kompatibel ist. Außerdem kann das Konzept des Wirtschaftswachstums einer nachhaltigen Entwicklung sogar entgegenstehen, wenn ersteres beispielsweise einen immer weiter steigenden Ressourcenverbrauch und einen Anstieg im Rohstoffabbau bedarf, sodass es im Endeffekt zu Zielkonflikten zwischen einzelnen SDGs kommen kann.

Punkte zur Diskussion

Die Ziele können noch so gut ausgearbeitet und dargestellt sein – die SDGs haben keinen Effekt, wenn sie nicht umgesetzt werden. Das Gremium sollte sich deshalb mit der Frage beschäftigen, wie die Umsetzung der Ziele weiter gefördert werden kann.
Viele Staaten konzentrieren sich auf die Umsetzung einzelner, einfach umsetzbarer, Ziele, während andere, schwer zu erreichende, ignoriert werden. Wie können Lösungen aussehen, damit Staaten auch weniger lukrative Ziele umsetzen?
Das Bewusstsein in der Bevölkerung für die Nachhaltigen Entwicklungsziele und für eine nachhaltigere Lebensweise, orientiert an eben diesen, muss geschaffen werden. Wie kann eine aktivere Einbindung der Bevölkerung in die Bestrebungen rund um die Nachhaltigen Entwicklungsziele erreicht werden?
Neben der politischen muss es auch auf privater und wirtschaftlicher Ebene zu einem Umdenken und zu Handeln kommen. Es kann beispielsweise über ein Anreizsystem nachgedacht werden, das insbesondere auch Einzelpersonen, Nichtregierungsorganisationen und Vertreter*innen der Wirtschaft zu einem Eintreten für die SDGs motiviert.

Besonders wichtige Quellen

Wichtige Dokumente

Quellenangaben und weiterführende Links

description Positions- und Arbeitspapiere

Papiere 1 bis 25 von 34.
Papiere 1 bis 25 von 34.
© Model United Nations Baden-Württemberg 2024