forum Situation der staatlichen Diskriminierung sexueller Minderheiten

Einführung in das Thema

Einleitung

Der Juni jedes Jahres ist der sogenannte Pride Month. Dieser ist für die LGBTQ+ Community weltweit ein Anlass zum Feiern. Denn einerseits wird dabei der Einfluss von LGBTQ+Personen anerkannt und der „stolze Umgang“ mit der eigenen sexuellen Identität mittels zahlreichen Paraden, Straßenpartys und aufklärerischen Beratungen zelebriert. Andererseits wird der Anlass genutzt, um Bewusstsein für die Probleme zu schaffen, mit denen die Betroffenen nach wie vor konfrontiert sind. Mindestens 68 Mitgliedstaaten sehen strafrechtliche Sanktionen gegen sexuelle Minderheiten in ihrer Rechtsordnung vor, wovon acht unter anderem die Todesstrafe verhängen können. Daraus entsteht Diskriminierung, die sich fest verankert und daraus resultierend vielseitig äußert. Denn obwohl seit den “Yogyakarta Principles” im Jahr 2006 eindeutig feststeht, dass niemandem Menschenrechte aufgrund seiner*ihrer sexuellen Identität oder sexuellen Orientierung verwehrt werden dürfen, entspricht die Realität diesen Ansprüchen häufig nicht. Dementsprechend besteht die Diskriminuerung gegen sexuelle Minderheiten weiterhin und ist von großer Relevanz.

Hintergrund und Grundsätzliches

Unter sexuellen Minderheiten versteht man in erster Linie die Mitglieder der LGBTQ+ Community, das heißt lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, queere und intersexuelle Personen. Nach Schätzungen machen diese in den meisten Ländern ungefähr 2-7% der Bevölkerung aus, wobei die Schätzung beispielsweise für Deutschland in Europa mit 7.4 % den größten Anteil ermittelt. Diese Bevölkerungsgruppen wurden und werden in einigen Mitgliedstaaten der UN mittels Gewalt unterdrückt oder auf unterschiedliche Weisen missbilligt, teilweise mit strafrechtlichen Sanktionen und unter Umständen der Todesstrafe bedroht. Die Begründung der betroffen UN Mitglieder für ihre Handlungen variiert von Staat zu Staat. Einige stützen sich auf religiöse Aspekte, indem sie mit verschiedenen Passagen ihrer religiösen Schriften argumentieren und jede Abweichungen von Heterosexualität missbilligen, da z.B. „Gott den Menschen nicht dazu geschaffen habe“. Andere berufen sich darauf,  Homosexualität würde die Reproduktion verhindern und somit im Widerspruch zum Wesen des Menschen stehen. Die daraus resultierenden Diskriminierung von und Angst vor Homosexuellen manifestiert sich in Gesetzen, die entweder auf verfassungsrechtlicher oder zivilrechtlicher Ebene ein Vorgehen der diskriminierten Personen gegen ihre Benachteilung erschweren.

Die Diskriminierung zeigt sich dabei nicht nur durch Auswirkungen auf der staatlichen, sondern auch auf einer privaten Ebene. In den USA vermeidet eine von sieben Personen der LGBTQ+ Community das Aufsuchen medizinischer Hilfe aus Angst vor Diskriminierung. Eine von acht Personen hat allein aufgrund der Tatsache, dass sie einer sexuellen Minderheit angehört, schlechtere medizinische Behandlung erfahren. Aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität, werden außerdem 20% der Betroffenen dazu gezwungen, medizinische Dienstleistungen wie zum Beispiel Operationen in Anspruch zu nehmen, die ihre geschlechtliche Identität unterdrücken. Auch am Arbeitsplatz bereitet dieser  Aspekt erhebliche Schwierigkeiten. Mehr als ein Drittel der sexuellen Minderheiten verstecken ihre sexuelle Identität und Orientierung, um der Diskriminierung zu entkommen.

Die Effekte staatlicher Stigmatisierung zeigen sich nicht erst im Erwachsenenalter, sondern bereits deutlich früher: Das Aufwachsen in einer stigmatisierten Welt wirft vor allem einen Schatten auf die Entwicklung der mentalen Gesundheit der betroffenen Jugendlichen. Am Beispiel der USA ist zu erkennen, dass 40 % der obdachlosen Jugendlichen einer sexuellen Minderheit angehören. Sie wurden aufgrund ihrer sexuellen Identität ihres Zuhauses verwiesen oder die Beziehungen zu deren Familien waren derart geschädigt, dass sie nicht in der Lage waren, bei ihren Eltern zu bleiben. Auch Schulen stellen oft kein sicheres Umfeld dar: Ca. 30% der LGBTQ+ Personen im Jugendlichen Alter haben dort Mobbing und Cybermobbing erfahren, begleitet von sowohl verbalen, als auch physischen Attacken der Mitschülern.

Im Jahr 2006 wurden die sogenannten Yogyakarta Prinzipien entworfen und veröffentlicht. Diese sind ein Prinzipienkatalog, der darstellt wie international geltende Menschenrechte in Bezug auf sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität angewendet werden sollen. Kreiert wurde dieses Dokument von einer Vielzahl von Menschenrechtsexpert*innen, darunter auch Mandatsträger*innen der Vereinten Nationen. Einstimmig von den Expert*innen befürwortet, werden die Yogyakarta Prinzipien zur Anwendung zahlreicher Mechanismen zum Schutz von Menschenrechten von Anwält*innen herangezogen. Das Ziel ist es, einen insgesamt diskriminierungsfreien internationalen Raum und Umgang zu schaffen. Infolgedessen beschäftigten sich die Menschenrechtsorgane der Vereinten Nationen intensiv mit systematischer und konsequenter Diskriminierung und Gewalt im Zusammenhang mit sexueller Orientierung, geschlechtlicher Identität und Geschlechtsausdruck. Dies führte zu einer maßgeblichen Weiterentwicklung des Menschenrechtsstandards.  Im Jahr 2017 wurden folglich zehn weitere Prinzipien, entwickelt von 33 Menschenrechtsexpert*innen, verabschiedet. Erkennbar ist, dass in diesem Dokument auch die bisherige Entwicklung im Bereich internationaler Menschenrechtsnormen reflektiert wird. Gleichzeitig wurden Geschlechtsmerkmale und Geschlechtsausdruck als eigenständige Kategorien anerkannt, welche zunehmend in der Debatte an Bedeutung gewinnen. Fraglich ist allerdings, ob dies adäquat von den Mitgliedstaaten umgesetzt wurde.

Aktuelles

Zwar zeigen viele Mitgliedstaaten einen Fortschritt, allerdings sind in einigen Staaten auch Rückschritte zu verzeichnen. Ein Blick auf Polen zeigt beispielsweise, dass ein Drittel des Landes zu LGBTQ+ freien Zonen erklärt wurde. Daraus folgend verstärkte sich die Diskriminierung, auf die aktuell mit friedlichen Protesten geantwortet wird. Das Europäische Parlament forderte die polnischen Behörden nachdrücklich auf, diese Handlungen zu verurteilen und alle Beschlüsse, die einen Angriff auf die Rechte der LGBTQ+ darstellen, zurückzuziehen. Subtiler erfolgt die Diskriminierung beispielsweise in der Türkei. LGBTQ+ Menschen sind offiziell von der Verfassung geschützt und Homosexualität erfüllt keinen Straftatbestand, aber trotzdem müssen sich Betroffene in der Regel darauf einstellen, ausgegrenzt zu werden. So werden LGBTQ+ Menschen oftmals als Sündenbock dargestellt, indem vom Regierungschef zum Beispiel behauptet wird, dass sie für die sich ausbreitende Corona Krise verantwortlich sind. In anderen Ländern sind jedoch Schritte zur Besserung erkennbar. Zum Beispiel in Japan ist zu beobachten, dass sich um den Erlass eines Gesetzes bemüht wird, das LGBTQ+ Diskriminierung verbietet. Dies stellt vermutlich eine Bemühung zur Umsetzung der Resolution des Menschenrechtsrates (A/HRC/RES/17/19) vom 17.06.2011 dar. 

Insgesamt erkennt man jedoch, dass in Staaten mit eher autoritären Zügen und einer Orientierung an traditionellen und religiösen Aspekten die Situation schwerwiegender ist. Oftmals werden dort bestimmte Verhaltensweisen kriminalisiert, sodass die Diskriminierung in den Gesetzen verankert ist. Im Gegenzug dazu lässt sich erkennen, dass sich in demokratischen Staaten vermehrt mit dem Thema auseinandergesetzt wird und Diskriminierung abgebaut wird. Dies lässt sich zum Beispiel daran erkennen, dass inzwischen ein beträchtlicher Anteil der Länder der EU die “Ehe für Alle” legalisiert hat. In anderen ist zumindest eine eingetragene Partnerschaft möglich. Aber auch in Asien lassen sich Verbesserungen erkennen. Taiwan legalisierte die Ehe für alle in 2019 und wurde somit das erste Land in Asien, das diesen Schritt tätigte. 

Lösungsansätze

Wie bereits illustriert, ist ein Handlungsbedarf seitens der UN und deren Mitgliedstaaten gegeben. Dieser Notwendigkeit könnte die UN durch eine schlagkräftige Resolution nachkommen. Im Jahr 2011 wurde eine Resolution vom Menschenrechtsrat beschlossen, die sich erstmalig mit dieser Problematik beschäftigte, gefolgt von der ersten UN Studie, die ihren Fokus auf die Belange der LGBTQ+ Community setzte. Im darauf folgenden Jahr wurde dieser Gedankengang von der Generalversammlung aufgegriffen, indem sie bei der Resolution über außergerichtliche Tötungen auch das Motiv der Tötung aufgrund sexueller Identität und Orientierung mit einbezogen. Im Juli 2013 startete eine Kampagne namens „Free and Equal“, die das Verständnis für die Rechte der LGBTQ+ fördern soll. Das Projekt erreichte ungefähr zwei Billionen Menschen und erreichte eine große Präsenz auf sozialen Medien. Es ist erkennbar, dass die UN sich um die Schaffung von mehr Bewusstsein und Verständnis für die Problematiken der LGBTQ+ Community bemüht. Problematisch ist aber, dass in den meisten Gesellschaften, trotz Erlass mehrerer Resolutionen, die meisten Mitglieder der LGBTQ+ Community weiterhin Diskriminerung ausgesetzt sind. Gleichgeschlechtliche Ehe ist lediglich in 27 Staaten mit der Ehe zwischen Mann und Frau gleich gestellt. Weiter verbreitet ist die Form der eingetragenen Partnerschaft, die allerdings nicht dem gleichen gesetzlichen Rang entspricht, wie die Ehe zwischen Mann und Frau.

Zudem wird das Prozedere der Adoption für LGBTQ+ Paare erschwert, indem man mit Stigmatisierung auf Grund von internalisierter Homofeindlichkeit arbeitet. Es besteht besonders Bedarf, die eher generell formulierten Richtlinien gegen LGBTQ+ Diskriminierung zu konkretisieren und einen Bezug zu bestimmten Lebensbereichen herzustellen. Dabei hervorzuheben ist das Arbeitsleben und der Zugang zu medizinischer Versorgung. Ein Schritt zur Verbesserung ist zum einen die Normalisierung von LGBTQ+ Personen, genauso wie deren Repräsentation und eine fortgehende Auseinandersetzung mit diesem Thema. Außerdem ist zu beachten, dass sich im weiteren Maße eher mit der sexuellen Orientierung auseinander gesetzt wurde und weniger mit der geschlechtlichen Identität. Allgemein gesagt besteht insofern Handlungsbedarf, dass sich mit der Problematik nicht nur auf verfassungsrechtlicher Ebene auseinander gesetzt werden sollte, sondern auch auf ideeller und gesellschaftlicher Ebene. Es wird somit an jeden Staat appelliert, alles in seiner Macht stehende zu tun, um die Ziele der UN hinsichtlich der LGBTQ+ Community zu verwirklichen. Ein Ansatz dafür kann zum Beispiel wie in Schweden die strafrechtliche Sanktionen bei Diskriminierung gegen die LGBTQ+ Community sein. Auch werden zunehmend Gesetze gegen die Diskriminierung am Arbeitsplatz verabschiedet.

Ein weiterer Aspekt der vermehrt Aufmerksamkeit findet ist die Diskussion über die geschlechtliche Identität. Transsexuellen Personen können in einigen Ländern, wie bspw. in Deutschland und Frankreich, ihren Namen entsprechend ihrer geschlechtlichen Identität ändern. Jedoch muss auch hier zwischen Staaten unterschieden werden, die eine verändernde Operation äußerer Geschlechtsmerkmale voraussetzt, um die Identität der Betroffenen anzuerkennen. Hinzu kommt ein schon lang existierendes Problem der legalen Konversionstherapien in vielen Mitgliedstaaten. Darunter begreift man pseudowissenschaftliche Therapieangebote, die bei Homosexuellen entweder ein Interesse an heteroexuellen Sexualkontakten wecken oder zumindest deren homosexuelle Neigungen unterbinden soll bzw. in asexuelles Verhalten umwandeln soll. Die Personen, die Erfahrungen mit derartigen Methoden gemacht haben, berichten, dass sich die Methoden fast ausschliesslich negativ auf ihren mentalen und allgemeinen Gesundheitszustand ausgewirkt haben. Viele Aktivisten wie z.B. Rainbow International setzen sich für den Verbot der Konversionstherapie ein.

Ein weiterer Punkt ist die Anerkennung eines dritten Geschlechts in offiziellen Dokumenten. Diese Option lässt sich vermehrt im Internet antreffen, existiert aber auf formeller Basis bisher nur in 19 Staaten. Zusammenfassend lässt sich erkennen, dass formelle Änderungen, Richtlinien und die Handlungen von Aktivisten nicht ausreichen. Es benötigt die aktive Mitarbeit der Mitgliedstaaten, um die Situation langfristig zum Besseren zu wenden.  

Punkte zur Diskussion

  • Welche Maßnahmen sollten vorgenommen werden, um die rechtliche Situation zu verbessern? 
  • Welche Maßnahmen sind auf einer gesellschaftlicher Ebene vorzunehmen um  Feindlichkeiten gegen LGBTQ+ zu vermeiden und die daraus resultierende Diskriminierrung vorzubeugen? 
  • In welchen Bereichen bedarf es besonderer Ausarbeitung und Konkretisierung der Antidiskriminierungsmaßnahmen? 
  • Wie können Personen, welche auf Grund Ihrer sexuellen Identität diskriminiert werden besser geschützt werden? Wie steht es um das Recht auf Asyl auf Grund von sexueller Diskriminierung?
  • Wie kann der Aspekt der geschlechtlichen Identität besser in die Diskussion integriert werden? 

Quellen

 

Bei Fragen zum Text können Sie sich an Anastasia Bigildina unter [email protected] wenden.

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